25 Jahre Mauerfall – 25 (N)Ostalgieprodukte

Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Doch der erste Freudentaumel in Ost und West war bald vorbei. Während Kanzler Kohl blühende Landschaften versprach, holten sich ehemalige Eigentümer Firmen und Marken zurück. Oft kauften Unternehmen ehemalige VEB´s (Volkseigene Betriebe), vermarkteten die wenigen erfolgreichen Produkte über ihre Zentralen oder Niederlassungen im Westen und stellten die Produktion im Osten ganz ein.

Trotzdem gibt es viele Erfolgsgeschichten. Und mittlerweile teilen auch die Menschen in den alten Bundesländern die Liebe der Ostdeutschen mit Ihren "alten" Produkten. Leider ist die Versorgungslage mit Ostprodukten in Kölner Supermärkten annähernd so schlecht wie die Versorgung in der DDR mit Bananen. Darum gab es von Lesern im Osten als Dank für die vielen Westpakete ein echtes Ostpaket mit Hallorenkugeln, Bautz´ner Senf, Rotkäppchensekt und mehr.

Für alle Kölner, Imis, Gäste und Ostalgie-Fans stellen wir nach und nach 25 noch heute real existierende Ostmarken vor. Wetten, dass Sie bei einigen gar nicht wissen, dass sie ursprünglich mal typische DDR-Produkte waren? Hier kommen die ersten neun Produkte. Weitere folgen ...

Bautz´ner Senf

In der DDR war Bautzen für zwei Dinge bekannt: Für den Stasiknast Bautzen 2 und für Senf. Das Gefängnis ist heute Gedenkstätte, und der Senf längst keine Bückware mehr (gab es nur tiefergelegt unter dem Ladentisch bei guten Beziehungen). Im Osten ist er mit rund 70 Prozent Marktanteil Nummer 1. Die Westdeutschen essen weniger Senf und greifen zudem gerne mal zum französischen Produkt aus Dijon. Trotzdem ist der Bautzer Senf auch hier vor seinem Konkurrenten Thomy Marktführer.

"Schuld" am Erfolg ist die denkbar einfache Rezeptur des Senfs noch aus Ostzeiten: geschrotete, entölte Senfsamen, Wasser, Zucker, Salz, Essig und Gewürze. Kurkama für die gelbe Farbe ist anders als bei den Konkurrenten tabu. Auch ist weniger Essig und Salz im Senf.

Die große Stammkundschaft würde eine geänderte Rezeptur sicher nicht hinnehmen und kauft Bautz´ner Senf besonders gerne vor Feiertagen. Die Nachlieferung hat in den Läden dann meist keine Chance, weiter zu reifen. Folge: Der Senf schmeckt anders als gewohnt - meist schärfer. Am beliebtesten ist übrigens mittelscharfer Senf. 200 ml im klassischen Plastikbecher kosten meist weniger als 50 Cent. Übrigens: Bautz´ner Senf in der Tube gab es noch nie.

Backmischungen von KATHI

Viele Ostdeutsche liebten Nusskuchen. Toll, dass es diese und andere KATHI-Backmischungen auch heute noch im Handel gibt. Was viele nicht wissen: Kathi war ursprünglich ein echt ostdeutsches Privatunternehmen und produzierte noch ganz andere Dinge. 1952 gründete das Ehepaar Käthe und Kurt Thiele in Halle die Firma KATHI-Nährmittelfabrik Kurt Thiele, Herstellung von Suppen, Soßen und Kuchenmehl. Der Staat regulierte, kontrollierte, diktierte die Preise und verlagerte 1969 sogar die Produktion aller Erzeugnisse - außer Backmischungen - auf andere Betriebe.

Das endgültige Aus kam 1972. Nach der Zwangsenteignung produzierte das Unternehmen als VEB Backmehlwerk Halle weiter. Doch nach der Wende holte sich Enkel Rainer Thiele das Familienunternehmen zurück. Inzwischen produziert die 1992 gegründete KATHI Rainer Thiele GmbH über 50 Backmischungen, natürlich auch für Nusskuchen. Übrigens: KATHI steht für KA(ethe) Thi(ele), die Gründer-Ehefrau.

Leckermäulchen

Ja, auch in der DDR gab es Quarkspeise im Plastikbecher. 1979 kam das Produkt in den Handel und hieß Leckermäulchen. In den Sorten Vanille und viel häufiger Zitrone (weil Vanille nicht verfügbar war) war es bis 1989 sehr beliebt. Wie viele andere Luxuswaren gab es die süße Leckerei jedoch nicht immer. Und nach der Wende war sie lange verschwunden.

Nach einem neuen Ostalgie-Schwung in den neuen Bundesländer stand Leckermäulchen dann doch wieder in den Regalen - und fand sofort wieder alte Fans. Heute produziert und vermarktet das Unternehmen frischli Milchwerke die Quarkspeise. Dessen Niederlassung in Weißenburg ist ein Nachfahre der ehemals ortsansässigen Ost-Molkerei. Seit 2007 - nach Marken-Relaunch und mit vermutlich einem satten Werbeetat - hat sich Leckermäulchen auch in westdeutschen Regalen als Marke etabliert, etwa bei Netto und REWE. Preis: rund 1,30 für eine 6 x 50 g-Packung. Übrigens: Heute ist Leckermäulchen wie viele andere Quarkprodukte mit Stickstoff aufgeschlagen. Dadurch ist der Quark zwar viel lockerer - der Geschmack erinnert allerdings nur wenig an das ehemalige Ostprodukt.

Zetti Bambina Schokoladen

Schon immer ist Bambina Schokolade sehr, sehr süß. Ostalgiker schätzen sie trotzdem. Denn viele erinnert die Vollmilch-Tafel mit der weißen Milch-Karamellcreme und den gerösteten Haselnusstücken an Kindertage. Zu DDR-Zeiten kostete die süße Kalorienbombe stolze zwei Ostmark, heute ab 1,10 €. Wer sie in den alten Bundesländern mal probieren will, muss die Zetti Bambina Schokolade meist übers Internet bestellen.

In den neuen Bundesländern gehört die Schokolade der Firma Goldeck Süßwaren GmbH aus Leipzig in Sachsen Anhalt ins Standard-Sortiment der meisten Supermärkte. Goldeck Süßwaren ist übrigens ein ehemaliger volkseigener Betrieb. 1994 erwarb er die Zetti-Markenrechte. Zu dieser Handelsmarke gehören auch der DDR-Klassiker Schlagersüßtafel und unser nächstes Ostalgie-Produkt: die Knusperflocken.

Zetti Knusperflocken

Das ist mal was anderes: Statt mit Nüssen sorgt Knäckebrot für den richtigen Knusper-Effekt. Ursache für die ungewöhnliche Kombination war vermutlich der allgegenwärtige Mangel im Osten. Aber Not macht erfinderisch. Und die kleinen Schokotropfen überzeugen mittlerweile seit mehr als 50 Jahren. Ebenso wie Bambina-Schokolade liegen die Markenrechte für Zetti Knusperflocken bei der Firma Goldeck Süßwaren GmbH, einem ehemaligen VEB aus Leipzig mit einer Niederlassung in Zeitz. Die Knusperflocken kosten zwischen 1 und fast 5 Euro. Also Augen auf beim Einkauf.

Halloren-Kugeln

In der DDR waren Halloren-Kugeln rar, geliebt oder gehasst. Denn die Füllung des Konfekts ist noch heute vor allem eines: unendlich süß. Hallorenkugeln kommen aus Halle an der Saale und verdanken ihren Namen den dort in früheren Zeiten tätigen Salzwirkern. Die kleinen zweifarbig gefüllten Pralinen sollen angeblich an die Jackenknöpfe der Halloren erinnern.

Die Geschichte der Schokoladen-Produktion in Halle begann 1804. Das von Friedrich August Miethe gegründete Unternehmen war vor allem durch seine Pralinenmarke Mignon in aller Munde. Der 2. Weltkrieg änderte das. Da sich Schokolade und Konfekt als Waffen vermutlich nur bedingt eigneten, fertigte die Fabrik fortan Zubehörteile für Flugzeugtragflächen.

Nach dem Krieg kamen allerdings wieder Kalorienbomben in die Produktion. 1952 machte die DDR-Führung aus dem Unternehmen einen VEB (Volkseigenen Betrieb) und es erhielt den Namen Halloren. Heute, 25 Jahre nach dem Mauerfall, ist es eine Aktiengesellschaft. Zu deren Umsatz tragen die Halloren-Kugeln allerdings nur noch zu rund einem Viertel bei. Unser Favorit sind übrigens nicht die klassischen Sahne-Kakao-Kugeln, sondern die Sorte Schoko-Eierlikör. Leider gibt es die leckeren Pralinen in westdeutschen Supermärkten nur als Aktionsware. Dann kostet die 125-Gramm-Packung um die 1,19 €.

Grabower Küsse

Unsere IM´s aus der DDR erinnern sich leider nicht mehr an den damals verwendeten Produktnamen und glauben, er hieß politisch unkorrekt Negerkuss und Mohrenkopf. Da es die aber so gut wie nur als Bückware gab, verzeihen wir den Gedächtnisverlust. Grabow war übrigens der erste Standort für DDR-Schaumkuss-Produktion.

Nach der Wende erlebte der ehemalige VEB Grabower Dauerbackwaren eine wechselhafte Geschichte. 1996 stellte der Nachfolger (Schiesser-Gruppe) sogar einen Insolvenz-Antrag. Heute gehört der damalige Ost-Betrieb mitsamt den Markenrechten zum Unternehmen Continal Bakeries, das viele seiner Produkte unter Handelsnamen vertreibt. Ausnahme: Grabower Küsse.

Die gibt es in Köln beispielsweise bei Netto für rund eine Euro. Und während sie in den neuen Bundesländern wieder alte Anhänger gefunden haben, sind die Schaumküsse in Kölner Filialen offensichtlich manchmal ein echter Ladenhüter. Bei unseren letzten drei Einkäufen war die Masse in den beschlagenen Schokohüllen jedenfalls deutlich eingetrocknet. Schade, denn frisch schmecken Grabower Küsse köstlich und oft besser als andere teurere Markenprodukte.

ATA Scheuermittel

Zu DDR-Zeiten kam ATA in einer blauen 250 g Pappschachtel daher und kostete 13 Pfennig. Die Firma Henkel brachte die Marke 1920 in den Handel. Das Unternehmen produzierte zunächst in Düsseldorf und drei Jahre später auch im Genthiner Werk in Sachsen Anhalt. Nach dem 2. Weltkrieg ging dieses ins Volkseigentum der DDR über. Nach mehrmaliger Umfirmierung produzierte es das Scheuermittel als VEB Waschmittelwerk Genthin bis zur Wende. Danach übernahm Henkel das Werk und stellte die ostdeutsche ATA-Produktion ein. Heute ist das Scheuerpulver als Sidol ATA im Handel. Und mit rund 1,80 € für 500 g deutlich teurer als zu Erich´s Zeiten.

Rotkäppchen Sekt

Rotkäppchen Sekt kommt aus Freyburg (Unstruth), und das schon seit mehr als 150 Jahren. Dort waren die Inhaber der Weinhandlung Kloss & Foerster schon früh in die Schaumweinherstellung eingestiegen. Damals kam der Sekt allerdings mit klangvollen französischen Namen wie Monopole, Crémante Rosé oder Sillery Grand Mousseux auf den Tisch. Und er durfte sich sogar Champagner nennen. Noch, denn die geschützte Herkunftsbezeichnung für das französische Edeltröpfen gab es noch nicht.

1884 trat das neue deutsche Gesetz zum Schutz der Warenzeichen in Kraft. Prompt verlor das Freyburger Unternehmen einen Prozess gegen die französische Konkurrenz Waldbaum-Heidsieck. Fortan durfte es keinen Schaumwein mit dem Markennamen Monopole mehr verkaufen. Doch aus der Not machte das Haus Kloss & Foerster eine Tugend. Kurzerhand benannte es seinen Sekt nach der Roten Kapsel auf der Flasche "Rotkäppchen". Heisieck & Co dürfte das nicht gefreut haben. Denn zu ihren Marken gehörte damals der Champagner Red Top.

Nach dem 2. Weltkrieg kam das Aus für die private Sektkellerei Kloss & Foerster. Die DDR-Führung enteignete das Unternehmen, der Unternehmer Kloss ging in den Westen. Die Schaumweinproduktion setzte der Arbeiter und Bauernstaat jedoch fort - uns zwar erfolgreich. Der Betrieb belieferte unter anderem die Interhotels, denn dort zahlten Kunden mit Devisen. In ostdeutschen Geschäften war Rotkäppchen Sekt allerdings nur als Bückware erhältlich. Für das Luxusprodukt zahlten die Leute im Geschäft dann um die 20 Ostmark. Oder sie tauschten ihn - wie so vieles - gegen Dienstleistungen oder andere heiß begehrte Waren.

Dann kam die Wende und die Ostdeutschen kehrten ihrem Rotkäppchen Sekt den Rücken. Doch das Unternehmen überlebte. Das Management kaufte der Treuhand die Kellerei ab. Und nachdem für viele Ossis der Lack vom Westen und seinen Produkten ab war, trat Rotkäppchen einen erneuten Siegeszug an. Die Menschen waren stolz auf ihren Sekt. Und schon bald war er die meist verkaufte Schaumwein-Marke in den neuen Bundesländern.

Heute gehören zum Unternehmen sogar ehemalige Wessi-Marken wie Mumm, Geldermann und Chantré. Rotkäppchen Sekt gehört mittlerweile auch in den alten Bundesländern zum Standardsortiment und muss sich nicht in der untersten Reihe verstecken. Mit rund 2,99 € ist er recht günstig. Viel besser schmeckt allerdings die Rotkäppchen Flaschengärungen, wie beispielsweise der Riesling trocken. Den gibt's für rund 8 € im Internet oder in ostdeutschen Supermärkten. In Köln jedenfalls haben wir ihn noch nicht entdeckt. Aber vielleicht ist er ja bei uns auch einfach nur Bückware ...

Mehr Infos zur spannenden Geschichte der Kellerei gibt's hier (pdf)

In Kürze geht es mit den nächsten (N)Ostalgie-Produkten weiter ... (sb)

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