Eine Kölner Familie schreibt Verlagsgeschichte
Kölns J.P. Bachem-Verlag ist 40 Jahre älter als der Kölner Zoo. Er entstand 1818 und ist seit sechs Generationen im Familienbesitz. Wir haben mit dem Verlagschef Claus Bachem gesprochen: Über sein erfolgreichstes Buch, über den schwierigen Autor Karl May, über die Vorzüge des Internets und über seinen schwarzen Verlagspudel Rebelle.
Doch, doch. Es gibt das Tier wirklich. Es ist sogar auf einem aktuellen Buchcover abgebildet. Als wir Claus Bachem in seinem Verlagshaus besuchen, zeigt er uns im siebten Stock aber noch ganz andere Werke. Etwa den Roman "Kind seines Herzens" von M. Herbert aus dem Jahr 1884. Anleitungen zum richtigen Leben oder auch Tipps für Junggesellen hatte Bachem schon im Programm. Heute produziert der Verleger regionale Wanderführer genauso wie Bachems Wimmelbilder, es gibt Werke zum Jüdischen Leben, viele Bände zu Mundart und Architektur. Und, das ist für Eltern interessant: Kein anderer Kölner Verlag bringt so viele wertige Kinderbücher auf den Markt.
Mittelständler mit langem Atem
Geschäftsführer Claus Bachem ist bald 50 und damit viermal so jung wie der Verlag selbst. Als Kind wollte er Feuerwehrmann werden. Es lief aber anders. Der einstige Unternehmensberater ist heute verantwortlich für den gesamten Buchbereich und führt dabei die Tradition seiner Vorfahren fort. Bachem ist kein Strohfeuer à la Könemann. Und er ist anders als der eher liberale DuMont-Verlag seit 200 Jahren der Katholischen Kirche verbunden. Seine Vorfahren hatten beste Kontakte zu Persönlichkeiten wie Kardinal Joseph Frings und Konrad Adenauer. Die Kirchenzeitung residiert am Ursulaplatz 1 unter der selben Adresse wie Bachem. Mit Blick auf den Dom und die Minarette der Moschee.
Und wer sich fragt, was diese Männer und Frauen aus Köln mit ihrer Verleger-Vision ausmacht, sollte eins wissen. Sie haben wirklich einen langen Atem. Ein Beispiel? Claus Bachem läuft den Köln-Marathon seit 1997 mit. Und erreicht jedes Mal die Ziellinie.
Bessere Buchpräsenz durch das Internet
Der Verlag hat ruhige und weniger ruhige Zeiten hinter sich. Das 100jährige Jubiläum feierten die Bachemiten am Ende des 1. Weltkrieges. Und am Ende des 2. Weltkrieges lag das Verlagshaus in Trümmern. Hans Bachem sagte damals: "Der Gründer der Firma wird nicht primitiver angefangen haben." Gemeint ist sein Vorgänger Johann Peter Bachem - nach wie vor der Namensgeber von J.P.Bachem. Den Nationalsozialisten war dieser Kölner Verlag nicht genug auf Spur, dafür halfen die Alliierten beim Wiederaufbau um so mehr. Bachem baute Betriebswohnungen für die Angestellten, die teils ebenfalls seit Generationen dem Verlag treu geblieben sind. In den 70er Jahren boomte das Geschäft mit der Druckerei. Doch noch in den 80ern, erinnert sich Claus Bachem, hatte der Familienbetrieb gegen Giganten wie G&J und Bertelsmann kaum eine Chance. Wer in Heidelberg ein Kölnbuch suchte, fand die Bücher von Bachem in der Buchhandlung kaum vor. Das Internet hat dies geändert, freut sich der Verlagsleiter. Und tatsächlich: Wer bei amazon die Suchbegriffe Köln und Kirchen eingibt, findet den Bachem-Band unter den Top-Platzierten.
Inhalte für Bildungsbürger, Umschlag für Jerry Cotton
Der Verlag steht heute gut da. Die Wimmelbücher laufen so erfolgreich wie die Wanderführer mit ihren Apps. Übernahmeangebote hat die Familie immer abgelehnt. Ihr Programm bedient in erster Linie das Bildungsbürgertum, keine Frage. Umso kurioser ist dabei, was Claus Bachem in einem Nebensatz verrät: Seine Vorfahren druckten einst die Umschläge der Groschenromane des noch jungen Verlags Bastei Lübbe. Als Starthilfe sozusagen: "Meine Tante hat Jerry Cotton heimlich unter der Bettdecke gelesen", erzählt er.
Autoren: von Brings bis Karl May
Die Autoren sucht sich der Verleger mit Bedacht aus. Für die Reihe "Wie geht das" schreiben überwiegend Fachleute: Feuerwehrleute über die Kölner Feuerwehr, Polizisten über die Kölner Polizei, TV-Star Andrack über Wanderrouten und Zoodirektor Pagel über den Kölner Zoo. Als Bachem den Band publikumswirksam im Tierpark präsentierte, war Pagels Tochter gerade Hospitantin im Verlag.
Und wie geht Köln? Das hat Autorin Daniela Mutschler aufgeschrieben, die clevere PR-Chefin der Firma. Die Oberbürgermeisterin schrieb das Vorwort. Das Buch könnte den Dauerbestseller irgendwann ablösen. Titel: Kleine illustrierte Geschichte der Stadt Köln. Und sogar ein Wimmelbuch zum Kinderkrankenhaus ist im Programm. Es erschien, nachdem die Ärzte in der Amsterdamer Straße Bachems Tochter bestens versorgt hatten.
Nur einer war entsetzlich sauer. Der Kultautor Karl May. 1884, der Roman "Kind seines Herzens" war gerade erschienen, hatte der Verlag Herrn Dr. May um Mitarbeit gebeten. Daraufhin erschien sein Roman "Die Wüstenräuber" und später "Die drei Feldmarschalls". Als der Verlag dem berühmten Romancier dafür gerade mal zwölf Mark an Honorar auszahlte, tobte May vor Wut. Erst Recht, als der Chefredakteur der Kölnischen Volkszeitung (in der Hand des Verlags) eines seiner Werke in der Luft zerriss. Es gab Krach, der Streit endete vor Gericht zwar im Vergleich. Doch May rächte sich auf seine Weise. Er nahm sich den Redakteur in seinem nächsten Roman zum Vorbild für die böse Figur des Henkers Ghulam. Im Roman "Im Reich des silbernen Löwen", erschienen beim Freiburger Verleger Fehsenfeld.
Lange ist das her. Und heute überrascht Bachem auch schon mal mit ganz ungewöhnlichen Ideen. So ist kürzlich das Buch "Vater und Sohn op Kölsch" erschienen. Grundlage sind die gleichnamigen Zeichnungen des Nazi-Gegners Erich Ohser aus den 30er Jahren. Die Comics kamen fast komplett ohne Buchstaben aus. Bis Vater Rolly Brings und sein Sohn Stephan das geändert haben: zur Rezension
Dies und viele weitere Geschichten präsentiert der Verlag in seinem Band "200 Jahre Bachem", der pünktlich zum Jubiläum am 12. Juni erscheinen soll. Zu den Feierlichkeiten, ist zu hören, kommt als Ehrengast Kardinal Rainer Maria Woelki.
Übrigens: Auch wenn Claus Bachem letztlich nicht im Schutzanzug Brände löscht, sondern Bücher macht: Sein Buch "Wenn ich groß bin, werde ich Feuerwehrmann" hat er uns zum Abschied für unsere Tochter Marie (5) mitgegeben. Die Zeichnungen vom kleinen Bär mit rotem Schutzhelm des Franzosen Quentin Gréban sind wunderbar.
Über den Autor
Tobias Büscher ist Journalist und Dozent für Onlinejournalismus mit eigenem Redaktionsbüro in Köln. Sein Onkel und Claus Bachems Großvater haben im 2. Weltkrieg im Schützengraben nebeneinander gelegen. Und überlebt.