Die Nummer gegen Kummer

Der Verein „Nummer gegen Kummer e.V“ ist die Dachorganisation der größten, kostenfreien Beratungshotline in Deutschland. Über 3000 ehrenamtliche, geschulte Mitarbeiter sind im Einsatz. Und der ist gefragter denn je. Das Telefon klingelt seit Ausbruch der Pandemie ununterbrochen. 

Die Sorgen von Jugendlichen und Eltern sind erheblich gewachsen, sagt Anna Zacharias, Pressesprecherin des Vereins: „Wir hatten allein im letzten Jahr 64 % mehr Elterngespräche als sonst“. Das Bundesfamilienministerium reagierte darauf und stellte dem Verein allein im Jahr 2020 genau 656.000 Euro zur Verfügung.

Zumeist drehen sich die Themen um Hausaufgaben, Aggression und Angst. Um die richtige Bestrafung auch. Eine Psychologin sagte mal: "Wer seinen Vater in den Arm beißt und dann kein KIKA gucken darf, bringt diese beiden Dinge in seinem kleinen Kopf in keinen Zusammenhang. Gummibärchen verbieten ist da viel besser. Auch wenn die keinen Biss haben".

Boom beim Kinder- und Jugendtelefon

Vor allem das relativ neue Angebot des Kinder- und Jugendtelefons boomt gerade. 12 bis 16-Jährige rufen besonders am Samstag an: „Nicht etwa, um mit Erwachsenen zu sprechen, sondern mit Gleichaltrigen“, sagt Frau Zacharias: über Liebeskummer, Frust, oder auch über das „viel zu geringe Taschengeld“. 

„In den 80er Jahren haben vor allem Mädchen angerufen, heute rufen viel mehr Jungs an als früher“. Besonders wichtig, ob für Kinder oder Erwachsene: Die Telefonate sind anonym. Nichts wird aufgezeichnet, auch die Nummer ist für die beratenden Gesprächspartner unterdrückt. Während des Gesprächs machen die Mitarbeiter lediglich Notizen zu Inhalten, nie zum Anrufer selbst.

Deshalb ist auch nur ein reines Telefonat möglich, und keine Videoschalte. Und wer noch anonymer bleiben möchte, kann auch online seinen Kummer aufschreiben: Nummer gegen Kummer Onlineberatung

100 Stunden Gesprächsausbildung

Die Ausbildung zum Gesprächspartner dauert 100 Stunden ab dem Eignungstest, der ähnlich wie bei der Ausbildung zur Tagesmutter oder zum Tagesvater verläuft. Auch ein Führungszeugnis wird verlangt. Dabei sind psychologische Kenntnisse erst einmal gar nicht so wichtig. Rentner bewerben sich genauso wie Studenten, Handwerker, Lehrer oder auch Jugendliche ab 16. Jahren.

Für sie ist der Verein besonders interessant, da sich der ehrenamtliche Job im Lebenslauf gut macht. Alle vier Wochen gibt es eine Supervision, und das unterstützende Familienministerium wird regelmäßig über neue Erkenntnisse informiert. 

Anrufer ab 8 Jahren

Die Anrufer melden sich aus ganz unterschiedlichen Gründen. Thema der Eltern ist oft der Umgang mit den Kindern im Homeoffice. „Reden hilft viel“, weiß Frau Zacharias, die viel Lob dafür findet, wenn sich jemand mit seinen Sorgen meldet.

Bei schweren Problemen helfen die Mitarbeiter am Telefon mit Angaben zu Spezialisten, etwa bei schwerem Mobbing, prügelnden Familienangehörigen oder gar Selbstmordgedanken.

Kein 24/7

Wo auch immer Informationen über den Verein auftauchen, es gibt anders als bei anderen Vereinen fast keine Kritik. Höchstens eine: Die Mitarbeiter sind nur tagsüber zu erreichen, nicht nachts.

Also zu Zeiten, als Jürgen Domian den Anrufern die drastischsten Geheimnisse entlockte. Doch ein Format „24/7“ (täglich rund um die Uhr) ist zumindest vorläufig nicht möglich. Dafür fehlt es an Geld, Logistik und Mitarbeitern.

Schweiger und Clowns

Natürlich sind die Berater von der Kummernummer auch schon mal mit Kuriositäten konfrontiert. Etwa wenn jemand anruft, und einfach nur Theater spielt. Oder überhaupt keinen Pieps herausbringt. Anna Zacharias kennt das von ihrer eigenen Kindheit, sagt sie: „Da hatte ich auch schon mal einen Kloß im Hals“.

„Unsere Offerte ist das Gespräch“

Schweigen ist also nicht Gold, jedenfalls nicht bei diesem Angebot. Ein großer Partner ist neben Bund, Ländern und dem Familienministerium übrigens auch die „Telefonseelsorge“. „Nummer gegen Kummer“ klingt da wesentlich moderner. Anna Zacharias sieht das wahrscheinlich auch so. Vor ihrem Job dort und vor ihrem Pädagogik-Studium hat sie in einer Werbefirma gearbeitet. (tb)

Weiterführende Info

Wer die Organisation nicht nur als Telefonprofi unterstützen möchte, kann das mit Spenden auch tun. Infos gibt es auf der Webseite.