Wirtschaftsrecht oder Jura, Herr Berens?

Nach der Ausbildung nochmal studieren lohnt sich. Doch die Uni ist nicht für jeden erste Wahl. Seit 1998 bietet die Rheinische Fachhochschule (RFH) in Köln den Studiengang Wirtschaftsrecht an. Doch was steckt dahinter und wie sind die Berufsaussichten der angehenden Wirtschaftsjuristen?

Köln Reporter hat Studiengangsleiter Holger Berens exclusiv beim 4. Wirtschaftjuristen Kongress der RFH in der Kölner Wolkenburg interviewt:

Holger Berens im Interview

Herr Berens, Sie sind Leiter des Bereichs Wirtschaftsrecht an der RFH Köln. Haben Sie in dieser Position ein Hobby aus einer anderen Welt?

Sie werden lachen, aber meine Arbeit ist mein Hobby. Es macht sehr viel Freude, junge Studierende in die Berufs- und Erwachsenenwelt zu begleiten.

Jedes Jahr überlegen junge Leute: Jura an der Uni, Fernstudium oder lieber Wirtschaftsrecht an der Fachhochschule. Was spricht denn für die Juristen-Ausbildung an der Fachhochschule?

Zunächst einmal werden an den Fachhochschulen keine Juristen im klassischen Sinne ausgebildet, sondern Wirtschaftsjuristen. An den Fachhochschulen ist der Praxisbezug wesentlich höher. So sind z.B. alle unsere Dozenten Praktiker. An den Universitäten wird wesentlich mehr Wert auf die Wissenschaftlichkeit gelegt und man studiert eben das gesamte Recht, wie z.B. Familien- und Erbrecht. Wirtschaftsrecht ist eine Mischung aus Unternehmensrecht, BWL und sogenannte Soft Skills. Auf den Nenner gebracht: Der Wirtschaftsjurist kann Bilanzen lesen und rechtlich einordnen. Fernstudium ist etwas für lonely wulfs. Man muss den inneren Schweinhund überwinden, um sich tatsächlich zuhause hinzusetzen. Recht ist schwierig im Alleingang zu studieren, da gerade die Sprache und die Interaktion Schlüsselqualifikationen für Wirtschaftsjuristen sind.

Die RFH bietet Vollzeit- und Berufsbegleitendes Studium an. Was ist für wen besser?

Wie die Bezeichnung schon aussagt, für Berufstätige- aber auch Selbständige. Dier Vorlesungen liegen zweimal abends und samstags, so eignen sie sich auch für Berufstätige. Gerade für diese macht es Sinn, sich weiter zu qualifizieren.

Die RFH feiert 2013 das 15jährige Jubiläum des Studiengangs Wirtschaftsrecht. Können Personalchefs mit dem Abschluss Diplom Wirtschaftsjurist (FH) inzwischen etwas anfangen?

Wirtschaftsrecht ist eine Marke, das beweisen auch die gerade für Wirtschaftsjuristen ausgewiesenen Stellenangebote. Seit dem Bologna-Prozess lautet der Abschluss aber mittlerweile Bachelor of Laws (LL.B.)

Nach all den vielen Jahren. Was ist aus den Absolventen des Studiengangs Wirtschaftsrecht so alles geworden?

Wir haben an die 1100 Absolventinnen und Absolventen. Hier aufzuzählen, wo sie alle untergekommen sind, würde den Rahmen sprengen. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Wirtschaftsjuristen in Unternehmen in den Rechtsabteilungen, Personal-und Steuerabteilungen sitzen. Aber auch im öffentlichen Dienst werde sie gerne eingestellt, so z.B. bei der BaFin oder der Netzagentur. Sie finden Wirtschaftsjuristen auch in allen großen Kanzleien im M&A Bereich, Insolvenzbereich, bei der Unternehmenssanierung und bei Banken und Versicherungen. Der Wirtschaftsjurist ist also vielseitig einsetzbar.

Herr Berens, sind die Aussichten auf einen guten Job, beispielsweise in einer großen Kanzlei, gestiegen? Und wie sind die Aufstiegschancen der Absolventen Ihres Fachbereichs direkt nach dem Studium?

Kurz und knapp: Ja! Teilweise sind die Einstiegsvoraussetzungen auch deckungsgleich mit denen der sogenannten Volljuristen. Die Kanzleien aber auch die Unternehmen erwarten jedoch vom LL.B., dass er während seiner Berufstätigkeit noch ein Masterstudium aufnimmt.

Manch deutscher Unternehmer hält einen Bachelor-Abschluss für eine Art Vordiplom. Was sagen Sie ihnen?

Der Bachelor ist ein berufsqualifizierender Abschluss an den Hochschulen. Man kann ihn in keiner Weise mit einem Vordiplom vergleichen. Bei uns dauerte das Diplomstudium sieben Semester, wobei im siebten Semester lediglich die Diplomarbeit geschrieben wurde. Unter dem Strich hat also Diplomabschluss auch "nur" sechs Semester Vorlesungen, genau wie der Bachelor. Die Inhalte und Fächer sind weitgehend identisch.

Wie sinnvoll ist ein Master-Aufbaustudium für Wirtschaftsjuristen?

Ein Master lohnt sich immer!!

Raten Sie zur anschließenden Promotion?

Wir haben promovierte Wirtschaftsjuristen. Ob man promovieren soll, hängt immer vom Einzelfall aber. Vielleicht wünscht das ja auch der Arbeitgeber.

Wie geht es weiter mit dem Studiengang? Wo sehen Sie den Stellenwert von Wirtschaftsjuristen in den nächsten Jahren?

Der Wirtschaftsjurist ist ein aliud zum Volljuristen. Es sind gleichberechtigte Kollegen geworden. Über kurz oder lang wird auch die klassische Juristenausbildung reformiert werden müssen. Das könnte so aussehen, dass die Grundlagen gleich sind. Wer Rechtsanwalt werden will, wird ein Zusatzstudium aufnehmen. Der Wirtschaftsjurist wird das Zusatzstudium in diesem Kernbereich studieren.

Und Sie persönlich? Planen Sie eine Weltreise oder ist nichts schöner als das Leben in Köln?

Nun ja, als Düsseldorfer habe ich lediglich ein Problem mit dem Bier in Köln. Da ist der Düsseldorfer weltoffener, denn in Düsseldorf können sie Kölsch bestellen. Versuchen Sie das mal mit Alt in Köln. Aber seit 30 Jahren wohne ich in Köln und habe es lieben gelernt. Ich möchte in keiner anderen Stadt leben und arbeiten. Eine Weltreise ist nicht geplant, da habe ich keine Zeit für.

(Das Interview führte Silke Büscher)

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