Der Edelproll: Jürgen Zeltinger

Erinnern Sie sich noch an die Rockwumme Zeltinger? Den Sänger von Asi mit Niwoh? Stolze drei Zentner wiegt Jürgen Zeltinger inzwischen. Glatze und Schnurrbart hat er nach wie vor. Und er singt sogar wieder.

Jürgen Zeltinger (64) hatte legendäre Erfolge. An Weiberfastnacht 1979 eroberte er die Bühne des angesagten Kölner Klubs „Roxy“ im Sturm: „Der Bassist stand auf dem Damen-Klo, der Gitarrist auf der Herrentoilette, und ich stand neben der Theke. Ich war praktisch während des Saufens am Singen“, erinnert sich der Kölner. Die damals frisch gegründete „Zeltinger Band“ war roh, wild und zornig, das Konzert ein Potpourri aus Lärm und Krawall und der bekennende Schwule Jürgen stand schon mal in Strapsen auf der Bühne. Kurz: die „Plaat“ („die Glatze“) war purer kölscher Rock.

Sozialamt, Tuntensong und Müngersdorfer Stadion

Seine ehrliche und provokant sozialkritische Art kam an, auch weit über die Grenzen der Domstadt hinaus. Er sprach aus, was viele dachten. Und er sprach es so aus, dass sie lachten. Nach seinem Auftritt 1979 wurde die Band für 19 weitere Konzerte gebucht. Das Live-Album „De Plaat im Roxy & Bunker live“ mutierte zur Kultplatte mit so eingängigen Songs wie Sozialamt, dem Ramones-Cover Müngersdorfer Stadion" und dem Tuntensong. Auch die Kölner Lokalzeitungen mochten den Kölschpunkrocker und nannte ihn "3 Zentner im Tiger-Slip". Radio und Fernsehen schlossen sich dem an. Doch dann wurde es unruhig. Die Bandmitglieder gaben sich die Tür in die Hand, auch Mitbegründer Jaki Liebezeit, einst Schlagzeuger der legendären Band Can, suchte das Weite. Nur einer blieb - vorerst: Jürgen Zeltinger.

"Dries jet op dä Dress"

Er spielte mit den Boomtown Rats, frühstückte mit Freddy Mercury am Bonner Verteilerkreis und sang mit Tina Turner. In den 80iger Jahren zog sich der Kölner Rüpelrocker dann aber selbst zurück. Zeltinger hatte schlicht „keinen Bock“ mehr auf das Showbiz. Als seine Plattenfirma Ariola ihm kündigte, kam ein trockenes: Dries jet op dä Dress (scheiß auf den Scheiß). Lediglich drei wenig erfolgreiche Singles kamen danach noch auf den Markt. 1992 tauchte er dann kurz wieder auf. Zeltinger nahm an der Kölner Musikerkampagne „Arsch huh-Zäng  ussenander“ gegen Rechtsextremismus teil. An seinem 61. Geburtstag sang er für Häftlinge in der JVA Köln. Berührungsängste hatte  er da übrigens nicht. Zeltinger saß selbst mit 16 wegen Haschisch-Handel im Knast.

"Das Volk wird verarscht und betrogen"

Jetzt ist er wieder da: noch ein wenig fülliger, noch ein wenig kahler, aber nur ein klein wenig älter. In seinem 2010 veröffentlichten Album „Die Rückkehr des Retters“ heißen die Lieder Deine Ex, in Flagranti, Betrug und Politoxologie, denn "das Volk wird verarscht und betrogen". Das Texten überließ er dabei aber seinem Gitarristen Volker Voigt. Überhaupt, Zeltinger gibt sich bescheiden. Er singt für den „einfachen Mann auf der Straße“. Privat ist die Wumme fast schon zahm: Er mag Cat Stevens und seine Plattensammlung von James Taylor.

Auch heute steht er noch auf der Bühne und singt Müngersdorfer Stadion. Zwischendurch flüstert der selbsternannte Retter dann schon mal einen Satz ins Mikro wie „Halt de Fress, dat es e ernsthaft Konzert“. Und jeder merkt: Es ist noch etwas geblieben vom Zeltinger damals im Roxy.