
Trude Herr: eine Frau mit Format
Sie ist eine Legende. Trude Herr, die Kölner Schauspielerin, Sängerin und Theaterdirektorin. Lustig, frech, ein bisschen frivol, so bleibt die 1991 verstorbene Künstlerin dem breiten Publikum in Erinnerung. Besonders ihr Hit Niemals geht man so ganz ist unvergessen.
Klein, dick, rundes Gesicht, schon in jungen Jahren trägt Trude Herr den Beinamen dat Pummel. Doch das stört die pfundige Frau mit den dunklen Haaren nicht. Sie hat Witz, Temperament und eine enorme Ausstrahlung, auch ohne Schönheit. Selbstironisch macht sie sich auf der Bühne über ihre mangelnde Zierlichkeit lustig. "Weil ich so sexy bin, sind alle Männer hin", singt sie und tanzt dazu einen atemberaubenden Twist. Das Publikum ist begeistert.
Kölsches Mädchen
1927 kommt Trude, auch liebevoll Tutti genannt, in Köln-Kalk zur Welt. Als Frühgeburt ist sie sehr schmächtig. Doch das ändert sich schnell, weil die Eltern und die ältere Schwester Agi sie tüchtig päppeln. Trude wächst in Köln-Mülheim auf. Die wichtigste Bezugsperson ist Vater Robert, von Beruf Lokomotivführer und zudem bekennender Kommunist, den die Nazis ins KZ sperren. Für ihn schreibt sie später das Lied Papa, das sie 1961 auf seiner Beerdigung singt.
Die Bühne ruft
Nach der Volksschule folgen Jobs in einer Bäckerei und als Schreibkraft. Sie sind nicht von Dauer, denn Trude Herr zieht es auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Ab 1946 ist sie Statistin an der Aachener Wanderbühne, von 1948 an spielt sie Nebenrollen am Kölner Millowitsch-Theater. 1949 gründet die Schauspielerin gemeinsam mit Gustav Schellhardt die Kölner Lustspielbühne. Doch nach einigen Aufführungen von Kinderstücken und Mundart-Schwänken muss die Bühne Konkurs anmelden.
Karneval und Tingel-Tangel
So schnell lässt sich Tutti nicht unterkriegen. Ihren Lebensunterhalt sichert sie, indem sie in einer Schwulenbar kellnert. Obendrein ist sie als Büttenrednerin bei Karnevalsveranstaltungen erfolgreich, aber auch da gibt es Ärger: Ein gesellschaftskritischer Auftritt führt zum Programmverbot. Da sagt die rebellische Trude dem Sitzungskarneval Adieu. 1958 holt der Kabarettist Willi Schaeffers die Künstlerin nach Berlin ans Theater Tingel-Tangel, was ihren Bekanntheitsgrad enorm steigert.
Ich will keine Schokolade
Bald tritt sie auch in lustigen Filmen auf. Lady Zocker in "Drillinge an Bord" (mit Heinz Erhardt), Miss Nordsee in "Conny und Peter machen Musik" oder Aglaja Schultz in "Unsere tollen Tanten in der Südsee" - immer verkörpert dat Pummel die komische Ulknudel.
In vielen Filmen ist auch Singen und Tanzen angesagt. So macht Trude Herr Musikkarriere, obwohl sie witzelt: "Dass ich Sängerin bin, ist eine Verleumdung meiner Schallplattenfirma." Mit dem Titel "Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann" landet sie 1960 auf Platz 18 der deutschen Hitparade. Ein weiterer Hit: Ich bin eine Frau von Format, von mir gibt es kein Duplikat. Dieses Lied ist Programm für die unverwechselbare Künstlerin
Theater im Vringsveedel
Doch die Liebe zum Theater lässt die Frau mit dem männlichen Nachnamen nicht los. Ab 1970 spielt sie mit eigenem Ensemble im Millowitsch-Theater. 1977 eröffnet das Multitalent erneut ein eigenes Haus: das Theater im Vringsveedel auf der Severinstraße. Dafür schreibt Herr Volksstücke mit rheinischem Humor und einer gehörigen Portion Ungehörigkeit. Die kölsche Geisha (1977), Massage-Salon Denz (1979) oder Im zweiten Frühling (1986) sind auf der Bühne erfolgreich. Doch die Fixkosten sind mit 21 Beschäftigten sehr hoch und es gibt keine städtischen Zuschüsse. So schließt das bestbesuchte Theater in NRW 1986 seine Pforten.
Von Afrika zum Südpazifik
Im Privatleben mag es die Kölnerin eher exotisch. In den 60er Jahren reist sie mehrfach durch die Sahara und lernt dort den 17 Jahre jüngeren Tuareg Ahmed M'Barek kennen und lieben. Die Ehe hält von 1969 bis 1976. Ende der 1980er Jahre wandert die Künstlerin aus gesundheitlichen Gründen in den Südpazifik aus. Auf den Fidschi-Inseln trifft sie ihren letzten Lebenspartner Samuel Bawesi. 1991 kehrt sie mit ihm kurzzeitig in die Heimat zurück und zieht dann nach Südfrankreich, wo sie im März 1991 an Herzversagen stirbt. Trude Herrs Grab befindet sich auf dem Nordfriedhof.
Niemals geht man so ganz
Vor ihrer Abreise in die Südsee bringt die vielbegabte Künstlerin noch ein Album mit kölschen Cover-Versionen internationaler Hits heraus. Darauf singt sie auch ein Lied zusammen mit BAP-Chef Wolfgang Niedecken und Tommy Engel von den Bläck Fööss. Es wird zu Trude Herrs musikalischem Vermächtnis, zur Abschiedshymne: Niemals geht man so ganz.
Autorin: Clivia Kelch-Rade