Reportage über das Konrad Adenauer Tierheim in Zollstock

Warum Marlon einiges egal ist

Ausgesetzte Hunde, ehemalige Zirkustiere und viel Engagement. Unsere Reporterin hat das Tierheim Konrad Adenauer besucht.


„Achtung! Hund nicht füttern. Lebensgefahr!“ Marlon heißt der American Staffordshire Terrier, vor dessen Käfig dieses Schild im Tierheim Zollstock hängt. Marlon ist das egal. Mit seinen großen treuen Hundeaugen blickt er durch die Gitterstäbe, wahrscheinlich vermisst er sein Herrchen. Jahrelang lebte er mit dem Obdachlosen auf der Straße, nun ist er von der Polizei sichergestellt worden und leidet. Und warum das Schild? „Marlon ist Allergiker und könnte sterben, wenn er das falsche Futter bekommt“, erklärt Daniela. Die 23-Jährige macht gerade für zwei Wochen ein Praktikum im Tierheim. In Gummistiefeln schiebt sie einen Einkaufswagen voller Decken, Spielzeug, Futter und Katzenstreu durch die schmalen Gänge zwischen den Zwingern. „Klar, das ist anstrengend, morgens werden alle Käfige gereinigt und wir müssen natürlich auch die Hundekacke aufsammeln. Aber es macht mir Spaß mit den Tieren zusammen zu arbeiten.“ Das ist auch die Motivation von Gina, die im hier einen Ein-Euro-Job verrichtet. „Ich hätte auch was anderes machen können, aber mir macht die Arbeit vor allem mit den Hunden Freude“, sagt die 32-Jährige. Seit Anfang September arbeitet sie nun hier. Zusammen mit 24 Angestellten kümmert sich Tierheimleiterin Iris Blank mit viel Engagement und Herz um diese Tiere und versucht, ihnen neue Herrchen und Frauen zu vermitteln. Rund 300 Tiere betreut das Team täglich. Nicht zu vergessen verletzte Wildtiere, die aufgepäppelt und wieder ausgewildert werden.

Klein und blond besser als groß und schwarz

167 Nager und sogar Ziegen, Hühner und das Hängebauchschwein Berta sowie 114 Katzen und 110 Hunde befinden sich derzeit in Obhut des Tierheims Zollstock. „Eine Ziege haben wir beispielsweise von einem Zirkus übernommen, dummerweise war die Ziege trächtig und plötzlich hatten wir ganz viele Zicklein“, erzählt Ruth Gosdeck, die kaufmännische Tierheimleiterin. „Die Vermittlung dieser Tiere ist sehr schwierig, die meisten bleiben bei uns.“ Kaninchen gehen zur Osterzeit ganz gut, weswegen das Tierheim Zollstock 1 ½ Wochen vor Ostern eine Vermittlungssperre eingeführt hat. Prima klappt es auch mit den Katzen, Hunde sind schwerer zu vermitteln. „Wer blond und klein ist, hat viel bessere Chancen als große und schwarze Hunde“, betont Gosdeck. Dieses Schicksal teilt auch Lady, ein Dogge-Dalmatiner-Mischling. Die Hündin ist schwarz und groß und wartet seit über zwei Jahren auf nette Menschen. Problem: die 7-Jährige hat einen ausgeprägten Jagdtrieb. Das kann anstrengend sein und ist natürlich nicht für jedermann geeignet. Lady ist Ginas Lieblingshund, doch die kann sich keinen Hund leisten. Also guckt Lady weiterhin traurig durch ihre Gitterstäbe. Wenn sie sich bewegt, wackeln ihre großen Ohren wie bei Dumbo, dem Elefanten.

Die guten Gassigeher von Zollstock

Auf einmal wird es hektisch im Tierheim Zollstock. Viele Hunde springen an ihrem Zwinger hoch und bellen wie verrückt. Man versteht kaum sein eigenes Wort. Der Grund: Doro und Martina sind gekommen, um einige der Hunde auszuführen. Die Freude bei allen Beteiligten ist groß. Die 63-jährige Doro kommt seit fünf Jahren jeden Tag hierher. Bei Wind und Wetter. Heute scheint glücklicherweise die Sonne. „Ich hatte früher selber einen Hund, doch der ist vor einiger Zeit gestorben. Seitdem kümmere ich mich um die anderen Vierbeiner. Ich mache es schlicht und einfach aus Tierliebe“, erzählt die blonde zierliche Frau. Heute haben die beiden Mischlinge Lara und Lilly Glück – sie dürfen mit Doro und ihrer Bekannten Martina „Gassi gehen“. Alle Hunde kommen jeden Tag raus. „Auf dem Papier haben wir 498 ehrenamtliche Gassigeher, richtig verlassen können wir uns aber nur auf 20 Leute“, erzählt die kaufmännische Tierheimleiterin. „Wir haben unsere Angestellten, die mit den Tieren gehen.“ Den ganzen Tag im Zwinger muss also keiner verbringen. „Die Hunde haben es hier relativ gut.“ Davon ist Doro überzeugt. „Vielleicht besser als bei manchen Menschen zu Hause.“ Das mag stimmen, aber noch besser wäre es, ein Herrchen oder Frauchen für sich alleine zu haben, vielleicht mit einem großen Garten und einem gemütlichen Plätzchen in der Wohnung.

Wer mit den Hunden Gassi gehen möchte, muss einen Sachkundenachweis erbringen, sozusagen beweisen, dass er mit einem Hund umgehen kann. Machen kann man diesen im Veterinäramt in Ehrenfeld. Und dann? „Dann fangen Sie hier mit dem kleinsten Hund an und arbeiten sich langsam nach oben“ sagt Gosdeck und lacht. „Glauben Sie bloß nicht, dass Sie gleich mit Kangal Elmo oder Rottweiler Kendo raus dürfen.“ Schade. Keine Ausnahme. Finanziert wird das Tierheim von Spenden, Mitgliedsbeiträgen und Erbschaften. „Auf die ganz große Erbschaft warten wir aber noch“, meint Gosdeck. Bei Fundtieren übernimmt die Stadt Köln für einen Monat die Gebühren, aber was ist für ein Heimtier schon ein Monat? Die meisten bleiben lange. Manche ein Leben lang. Und das ist Marlon bestimmt nicht egal.

Happy End! Soeben hat unsere Redaktion erfahren: Marlon hat ein neues Zuhause. Aber seine Nachfolger wedeln bestimmt mit dem Schwanz, wenn auch sie Hilfe bekommen. (dhe)