Kölner Karneval unterm Hakenkreuz
Köln hat zwischen 1933 und 1945 an Karneval keine gute Figur abgegeben. Die Umzüge waren voller Judenhass, die Reden stramm antisemitisch, der Präsident der Roten Funken gründete die SA-Kapelle 71 und nur einer ließ sich den Mund nicht verbieten: Karl Küpper. Bis die Nazis auch ihn gewaltsam von der Bühne zogen.
Als Der Spiegel 1958 über den Karneval unter der NS-Herrschaft schrieb, spielte Köln kaum eine Rolle. Auch sonst blieb das Thema lange unerwähnt. Der Historiker Jürgen Meyer spricht vom "tabuisierten Teil der Stadtgeschichte". Und das Kölner Karnevalsmuseum stellt lieber historische Narrenkappen und Uniformen der Roten Funken aus. Was passierte also wirklich?
Erster Straßenkarneval nach Hitlers Machtergreifung
Bis zur NS-Herrschaft hatten die Kölner den Rosenmontagszug oft schmerzlich vermisst. Ob Krieg, Bestimmungen des Versailler Vertrages, Besatzer oder Weltwirtschaftskrise: der erste echte Straßenkarneval fand in der Domstadt erst wieder 1933 statt. Ausgerechnet. Hitler war bereits an der Macht. Doch dessen Gegner Adenauer hatte noch immer das Sagen im Kölner Rathaus. Bis dato hatte der neue Machthaber von den Kölnern relativ wenig Stimmen bekommen. Der Rheinländer hatte es nicht so mit der extrem strammen Gangart aus Berlin. Und später arbeiteten Edelweißpiraten und andere Widerständler im Schatten des Doms gegen Hitler. Doch die Mehrheit beugte sich sehr schnell der Gestapo und dem Reichspropagandaministerium. Selbst als Narr in der Bütt traute sich der Kölner kaum noch etwas zu. Die Bilder in Schwarzweiß sprechen da Bände.
Vom Klamaukredner zum Chef des NS-Festausschusses
NS-kritische Karikaturen an den Wagen des Rosenmontagszugs waren nun undenkbar, und der Kölner Karnevalist Thomas Liessem (1900-1973) mutierte zum Präsidenten des linientreuen Festausschusses Kölner Karneval. Der Mann war stadtweit eine Legende, hatte in einer Likörfabrik gearbeitet und sich als Büttenredner der Roten Funken beliebt gemacht. Und auch die Nazis mochten ihn sehr. Seit 1932 war er Mitglied des Nationalsozialistischen Deutschen Arbeitervereins und hatte vorübergehend bei den SA-Reitercorps angeheuert. Für die Session 1933 organisierte Liessem die SA-Kapelle 71. Doch er war nur einer von vielen. Auf den Kölner Straßen liefen unter den Hakenkreuzfahnen jede Menge Narren mit extra langen Pappnasen, Bärten und Kippa rum. Und die Festwagen schmückten judenfeindliche Parolen wie "Die letzten ziehen ab".
Erste weibliche Jungfrau auf Druck der NSDAP
Selbst das Kölner Dreigestirn blieb von der NSDAP nicht verschont. Ende der 1930er Jahre verkörperten Frauen zweimal hintereinander die Jungfrau im sonst immer männlichen Trio: 1938 Paula Zapf, eine 19-jährige Arbeiterin der Firma Bierbaum-Proenen und ein Jahr später Else Horion, eine Kindergärtnerin bei Stollwerck. Karnevalsvereine begannen ihre Sitzungen längst mit dem Hitlergruß und sogar der Spott über dem Adolf sein Oberlippenbart blieb weitgehend aus. Redner wie Jean Schmitz punkteten stattdessen in der Bütt mit Sätzen wie: "Der Davidstern ist der mieseste Stern überhaupt" und Toni Brecher donnerte 1940 in den Festsaal: "Juden sind Halunken und Schieber".
Lebenslanges Redeverbot für Karl Küpper
Die einzige echte Ausnahme im Sitzungskarneval war Karl Küpper (1905-1970). Der gelernte Buchmacher trat bereits mit 22 Jahren als D´r Verdötschte (der Verrückte) auf. Mit roter Nase saß er immer am Bühnenrand und hatte mit Zensur wenig am rotschwarzen Filzhut. Zwar brachte der Clown einmal auch einen antisemitischen Kalauer, machte sich aber ansonsten ständig über deutsche Nazis und italienische Faschisten lustig, diesen "lumpazi vagabundis faschista". Gerne betrat er die Bühne mit dem Hitlergruß und rief " Es regnet schon wieder". Oder doller noch: "Su huh litt bei uns dr Dreck em Keller!" ("So hoch liegt bei uns der Dreck im Keller!").
Küpper schimpft im Alter weiter gegen Rechts und Links
Küpper hatte seinen Dienst beim stramm kontrollierten Radio mit den Worten quittiert: "Die dunn do immer su komisch 'Hallo' roofe" ("Die tun da immer so komisch 'Hallo' rufen"). 1939 war das Maß für die Nazis dann voll. Küpper war als Redner im Börsensaal vor uniformierten NS-Männern aufgetreten und hatte im Stil eines Kurt Tucholsky "Deutschland erwache" gerufen. Das war sein kürzester Auftritt überhaupt. Er wusste um die Konsequenzen, bekam lebenslanges öffentliches Redeverbot und musste sich fortan jeden Morgen in der Gestapo-Zentrale im EL-DE Haus melden. In der Nachkriegszeit hat der Mann übrigens weiter heftig ausgeteilt: gegen links wie rechts. Und sein Sohn Gerhard hält den Vater nach wie vor für ein Vorbild, denn "Zivilcourage ist zu jeder Zeit unverzichtbar". (Ricarda Alder)