Kölner Session: Altweiber bis Aschermittwoch

Kölner Karneval beginnt pünktlich, endet pünktlich und ist ein Musterbeispiel für feste Regeln.

Vor allem die Besucher von Köln wundern sich nicht schlecht, wenn mitten im November Männer mit Uniform, schwankendem Gang und stumpfen Säbeln über die Straße laufen und alle gucken, als sei das ganz normal.

Der Elfe im Eften - Sessionsstart

Punkt 11:11 Uhr übernehmen die Jecken das Kommando. Die Session ist eröffnet. Auf dem Heumarkt steht eine Bühne. Hier tritt die Crème de la Crème des Kölner Fastelovends auf. Natürlich kommen Oberbürgermeister und Dreigestirn. Rund 70.000 Jecken zechen, schunkeln und feiern den Sessionsauftakt. Wer jedoch die Altstadt verlässt, ist sicher enttäuscht. Die Stadt ist ansonsten im Normalzustand – in den Kneipen herrscht bis zum Abend gähnende Leere. Kostümierte sind entweder auf dem Heimweg oder Touristen. Nur daheim feiert der Kölner manchmal weiter. Mit Freunden, lecker Kölsch, Mettbrötchen oder Jullaschzupp. Und für die Kinder gibt es Muuzemandeln.

Übrigens: Seit 2013 gibt es im Kölner Tanzbrunnen die Sessionseröffnung der Gesellschaft Die Große von 1823. Die Karten für den 11.11.2014 kosten ca. 12,70 €. Los gehts um 10 Uhr. Mit dabei sind natürlich auch hier die Stars und Sternchen der Karnevals-Szene.

Teuflische Lacher, himmlische Geschäfte

Am 11.11. startet auch der Sitzungskarneval. Ob Mädchen-, Prunk-, Gala oder Kostümsitzung: Für jeden ist etwas dabei. Nur die Kleiderordnung kann den unbedarften Imi oder Touristen schon mal in eine missliche Lage bringen. Denn Teufelchen oder Lappenclown ernten von Frackträgern und Damen im Abendkleid höchstens einen belustigten Blick. Nicht jede Sitzung ist automatisch eine Kostümsitzung.

Bei den Galasitzungen der Vereine treffen sich die Kölner gerne bei einem gepflegten Kölsch und Sekt für die Damen, beide in feines Stöffchen gehüllt, zum Klüngeln, pardon: zivilisiertem Gespräch. Da brauchen Sie als Teufel kein Kostüm. So löft dat in Kölle ….

Straßenkarneval

Der Straßenkarneval beginnt immer am Donnerstag und endet am Aschermittwoch. Dann beginnt die Fastenzeit: 40 Tage plus sechs Sonntage, macht 46 Tage. Und weil Ostern ein bewegliches Fest ist, ist das Datum für die Karnevalswoche immer ein anderes.

Donnerstag: Weiberfastnacht

Richtig heißt es eigentlich Wieverfastelovend. Manche sagen auch Altweiber. Beginn ist immer an einem Donnerstag um 11:11 Uhr.

Bürgermeister und Dreigestirn eröffnen den Straßenkarneval auf dem Alter Markt. Auf der großen Bühne spielen bekannte Bands wie BAP,  HöhnerBläck Fööss oder Brings ihre Lieder. Die Jecken singen und schunkeln – ob bei Regen, Sonnenschein, Hitze oder eisiger Kälte. Darauf ein dreifaches Kölle Alaaf!

Feiern ist in ganz Köln ein Muss. Ab 11:11 arbeitet in den meisten Firmen kein Mensch mehr. Wie auch mit drei Promille? Und so mancher Chef stellt immer noch ein Fässchen Kölsch auf den Tisch: trotz Krisenjedöns un so.

In die meisten Szene-Kneipen kommt spätestens ab 12 Uhr Mittag kaum noch jemand rein. Drinnen ist die Luft heiß, stickig und feucht. Trotz oder wegen des Rauchverbots ist der Geruch nur noch im stark alkoholisierten Normalzustand einigermaßen erträglich. Aber die Menge tobt. Eng gequetscht singen Kölner, Imi und Tourist lautstark mit – oft eine neue Textversion, denn die Lieder sin op Kölsch. Köbes, noch eine Runde! Alkohol bis zum Umfallen.

Natürlich trinkt und feiert der Kölner gerne an Karneval. In die Altstadt geht er deswegen noch lange nicht. Am liebsten bleibt er in seinem Veedel. Versacken bis Aschermittwoch ist o.k., aber bitte mit Niveau und Tradition.

Kölner und Gäste erwartet in der Kölner Südstadt ein weiteres Higlight. Weiberfastnacht gegen halb zwei mittags kommt es jedes Jahr am Severinstor zum historischen Date: Jan von Werth trifft auf seine Griet. In farbenprächtigen Kostümen führt das Reiterkorps Jan von Werth die traurige Legende um den Reitergeneral und die Magd auf. Danach ziehen alle Gruppen mit viel Tamtam durch die Stadt bis zum Alter Markt.

Freitag: Karnevalsfreitag

Ursprünglich war am Karnevalsfreitag nichts los. Doch seit 1998 ziehen die Veedelsvereine sternförmig zum Alter Markt. Dort feiern sie gemeinsam. Der so genannte Sternmarsch startet abends in den Veedeln.

In den Kneipen der Stadt, vor allem der Altstadt, brummt der Bär. Vor den Kneipen sorgen Türsteher dafür, dass die Räume nicht aus allen Nähten platzen. Und: Vollgesoffen kommt hier keiner mehr rein. Der Rausch bleibt nur den Gästen drinnen vergönnt.

Samstag: Karnevalssamstag

Funkenbiwak der Roten Funken auf dem Kölner Neumarkt: Wer mag, kauft ein Kölschglas (Funkenstange) für fünf Euro. Das wird dann bis zum Ende der Veranstaltung mit leckerem Kölsch wiederbefüllt, bis zum Verlust der Muttersprache. Funke rut-wiess: Danke! Das nennen wir mal echte Brauchtumspflege!

In manchem Stadtviertel starten heute die Veedelszöch. Die sind nicht so prunkvoll wie der Rosenmontagszug, aber viel persönlicher. Manchmal knausern die Vereine mit dem Wurfmaterial, anderenorts sind sie geradezu verschwenderisch. Ein Besuch lohnt sich allemal.

Am Karnevalssamstag startet auch der Geisterzug zu einer jedes Jahr neuen Strecke. Mitmachen kann jeder, Hauptsache nicht kostümiert! Wer allerdings hier auf Kamelle und Strüßjer scharf ist, geht besser zu einem anderen Zoch. Die sind nämlich beim Geisterzug so verboten wie Ghettoblaster und ähnlicher Firlefanz.

Kneipenkarneval: wie gehabt. In überfüllter Athmo feiert das Volk, schwitzt und schunkelt biergetränkt – bis zum Morgengrauen ….

Sonntag: Karnevalssonntag

11:11 Uhr starten die Schull- und Veedelszöch. Sie gehen fast den selben Zugweg wie der berühmte Rosenmontagszug. Spielmanns-Jedöns, wunderbare Kostüme, Kamelle, Strüssjer und Büzje. Für manchen Kölner ist das der schönste Zug. Denn das Leuchten in den Augen der Pänz überstrahlt noch das schlechteste Wetter und die eisigste Kälte. Leider darf nur die beste und originellste Truppe nochmal am Rosenmontag mit dem großen Zug laufen. Doch ohne Frage: Für alle Kinder im Zoch ist der Sonntag ganz, ganz aufregend. Und die Kleinen am Zugweg? Die sind garantiert nicht mehr wegzubewegen. Alaaf!

Kneipenkarneval: Nichts Neues zu berichten: Suffe, Poppe, Danze ...

Auch in manchen Vororten und natürlich im ganzen rheinischen Umland gehen heute viele Karnevalszüge los.

Montag: Rosenmontag

Rosenmontag ist der Höhepunkt des Karnevals. Da wichst Pitter morgens ein letztes Mal seine Stiefel und Marie bügelt dat Spezebötzjer auf. Über 10.000 Akteure werden heute beim Zoch dabei sein, zu Fuss, zu Pferd und auf den riesigen Prunkwagen.

Die Kölner Mama packt Frikadellen und die Pänz auf den Böllerwagen, Papa stellt das Fässchen dazu. Dann geht es los. Früh am Morgen suchen die ersten Kölschen ihr Plätzchen am Zugweg oder freuen sich über einen ergatterten Tribünenplatz.

Um 10:30 geht’s los. Dann schlängelt sich von der Südstadt aus der Rosenmontagszug rund 6,5 Kilometer durch janz Kölle. Spielmannskapellen spielen „Mer losse d´r Dom in Kölle“ und „Dat Hätz vun der Welt, ja dat is Kölle“ und über eine Million bunt kostümierter Jecken am Straßenrand singen und schunkeln mit. Kölsch fließt in Strömen.Die Fußgruppen tanzen und winken. Und das Volk brüllt: Kamelle! Strüssjer! Und immer wieder ertönt ein dreifach Kölle Alaaf.

Die Ordner schieben die Menschen von der Straße: Der nächste Prunkwagen rollt vorbei. Manchmal bleibt der Zug stehen. Dann toben die Menschen erst recht: Kamelle. Und Kniesköpp, wenn die Zugteilnehmer zu wenig werfen.

Für ein Strüssjer gibt’s übrigens gerne ein Bützjer. In den Fenstern am Zugweg stehen Menschen mit umgedrehten Regenschirmen. Damit lassen sich die Prallinen von den hohen Prunkwagen prima auffangen. Doch Vorsicht, fliegende Schachteln und Schokoladentafeln gehen manchmal im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge.

Nach vier Stunden ist der sieben Kilometer lange Zug vorbeigezogen. Dann haben 150 Tonnen Süßkram, 300.000 Strüssjer und tausende kleine Geschenke die Besitzer gewechslt. Wer noch stehen kann, wärmt sich anschließend bei Kölsch und Korn in der Pinte auf. Die restlichen Jecken traben müde durch die Stadt, in der Hand Plastiktüten mit Beute, die dann meist doch am Ende im Müll landet.

Dienstag: Veilchendienstag

Am Karnevalsdienstag lebt der Straßenkarneval ein letztes Mal auf. Die Veedelszöch durch mehrere Kölner Viertel sind in Nippes und Ehrenfeld am größten.

Am Abend ist es dann soweit: Der Nubbel brennt. Die Trommeln dröhnen und mancherorts fährt ein pferdebespannter Leichenwagen vor. Das närrische Volk schaut gebannt zu, wenn Leichenträger die menschengroße Strohpuppe auf den Scheiterhaufen tragen.

Dann folgt eine Grabrede, natürlich op Kölsch. „Wer ist es schuld, dass wir Karneval unser ganzes Geld versoffen haben?“ Und die Jecken brüllen: "Der Nubbel!"

Wenn alle gemeinsam festgestellt haben, dass der Nubbel auch noch für die hinterletzte Sünde verantwortlich ist, wird er angezündet. Fall erledigt. Sündenbock tot.

Jetzt feiern alle in der Kneipe um die Ecke noch ein bißchen weiter. Denn schon morgen am Aschermittwoch ist alles vorbei. Übrigens: Besonders schön ist die Zeremonie im Kwartier Latäng, dem Studentenviertel rund um die Roonstraße.

Mittwoch: Aschermittwoch

Der gläubige Kölner, es soll tatsächlich noch einige davon geben, trabt heute in die Frühmesse. Dort malt der Prister jedem Büßer ein Aschekreuz auf die Stirn. Dafür hat er extra verbrannte Palmzweige mit Weihwasser liebevoll zusammengepanscht.

Jetzt beginnt die Fastenzeit. Fleisch ist tabu und zumindest am Aschermittwoch halten sich alle dran. Nach guter alter Sitte treffen sich heute Familien, Freunde oder Vereine zum traditionellen Fischessen. Ab morgen isst der Kölner dann allerdings wieder sein Hämmchen. Warum auch nicht? Er kann ja beichten … (sb)

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