Ausstellung: Marina Abramović in Bonn

Die Bundeskunsthalle präsentiert seit dem 20. April 2018 die Arbeit einer der meistdiskutierten Performance- Künstlerinnen der Welt. Unter dem Namen „The Cleaner“ ist sie als Retrospektive gedacht. Der englische Begriff bedeutet Reinigen, Leeren, Säubern. Er bedeutet aber auch Waschmaschine. Und die spielte eine dramatische Rolle im Leben der Künstlerin.

Bei der Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung in Bonn sieht sie entspannt und jugendlich aus: Marina Abramović (*1946 in Belgrad). In ihren Performances hingegen wirkt sie aufgewühlt, konzentriert. Schmerz und Ausdauer sind zentrale Themen ihrer Arbeit. Und am Anfang steht die Waschmaschine. Neugierig auf den Rhythmus, den das moderne Gerät frisch aus der Schweiz machte, verfing sich das junge Mädchen mit der Hand in der Mangelrolle. Niemand kam auf die Idee, einfach den Stecker zu ziehen. Daher verharrte sie über Stunden unter starken Schmerzen in der Klemme. In ihren Performances trifft man diese Symbolik wieder: Abramović ruht stundenlang auf Eisblöcken, sitzt über Tage auf einem Holzstuhl ihren Besuchern gegenüber, schreit bis zur Heiserkeit. Videos, Fotos und Audio bezeugen ihre Performances aus einem halben Jahrhundert Kunstgeschichte.

Marina und Ulay

Einen großen Teil der Ausstellung nimmt der mediale Einblick in die umfangreiche Arbeit mit ihrem Lebensgefährten Ulay ein, der sie in Bonn durch die Ausstellung begleitet. „Man kann ‚the cleaner‘ schlecht mit ‚Putzfrau‘ übersetzen!“, so der gebürtige Deutsche Frank Uwe Laysieper lachend. Neben zahlreichen Videos und Fotos stellen in einer Re- Performance Schauspieler eine der berühmten Aufführungen des Künstler-Paars nach: In einem 90 Zentimeter breiten Gang standen sich die beiden 1977 im Eingang der Galleria d’Arte Moderne in Bologna gegenüber- vollkommen nackt. Die Besucher mussten sich zwischen ihnen hindurchzwängen, um ins Innere der Ausstellung zu gelangen. Bis die Polizei kam und die beiden Nackten festnahm und, so erzählt Ulay, nach ihren Papieren fragte. In Bonn hat man die Wahl: Zwängt man sich durch die fleischige Enge, oder nimmt man den prüden Umweg.

Die Umwelt und das Ich

Mediale Installationen bezeugen Abramovićs Blick auf die Welt: Sie sitzt vier Tage lang auf einem Haufen Rinderknochen und reinigt sie, als Antwort auf den blutigen Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren. Wütend kämmt sie sich stundenlang mit einem Drahtkamm und fragt sich dabei, ob sie schön genug ist für eine Künstlerin. Sie geißelt sich selbst oder gibt dem Publikum die Möglichkeit, sie nach Belieben zu beschmieren, zu schmücken und zu verletzten. Die einzige Möglichkeit, die Dinge wirklich zu verstehen liege darin, sie selbst zu tun, so die Künstlerin. Und deshalb soll das Publikum mitmachen, in diesem Fall Reiskörner und Linsen zählen. Ganz gemäß der Überzeugung Abramović: „Eine gute Performance verändert jeden im Raum“.

„The cleaner“ in Bonn

Die Ausstellung ist eine lebendige Retrospektive auf 50 Jahre Marina Abramović. Die Bundeskunsthalle schafft es, durch Live- Performances, Videowalls, Audiobeiträge und Fotografien einen reichhaltigen Eindruck in diese immaterielle Kunstform zu bieten. „The Cleaner“ ist zu sehen bis 12. August 2018 in der Bundeskunsthalle Bonn. Vom 12. bis 24. Juni findet zusätzlich die Re- Performance „House with the Ocean View“ mit einer Darstellerin statt. Abramović lebte vier Tage lang in abgehängten und nach vorne geöffneten Kisten, bei allen alltäglichen Verrichtungen den Blicken des Publikums ausgesetzt. Den einzigen Zugang lieferten Leitern mit Messerklingen. Statt Sprossen. (Julia Schulz)