Dom und Teufel: Meister Gerhard

Der Kölner Dom ist nach dem Ulmer Münster die zweithöchste Kirche Europas und eine leidige Dauerbaustelle. Die Pläne des ersten Dombaumeisters Gerhard von Ryle sind bis heute Grundlage für die Arbeiten der Hohen Domkirche Sankt Petrus – so der richtige Name. Meister Gerhard soll 1271 bereits bis zu 20 Meter des Kirchenbaus fertiggestellt haben. Dann stürzte er bei der Kontrolle seiner Arbeit unter mysteriösen Umständen vom Gerüst und starb. Da konnte nur einer seine Hände im Spiel haben: der Teufel.

Die Brüder Grimm erzählen in Ihren Deutschen Sagen gleich zwei Versionen der Geschichte. Annette von Droste Hülshoff ließ Meister Gerhard von Köln 1842 in einem Gedicht als Gespenst sein Werk begutachten. Und auch in Frank Schätzings Debüt-Roman Tod und Teufel geht es um den rätselhaften Tod des sagenumwobenen Dombaumeisters. Und so könnte es sich zugetragen haben:

Düvvel fackelt alten Kölner Dom ab

Der Düvvel konnte keine Kirchen mehr sehen. Vielleicht entfachte er deshalb einen verehrenden Brand im alten Hildebold-Dom. Der stand bis zum Jahre 1247 an der Stelle des heutigen Kölner Doms. Glück im Unglück: Der Schrein der Heiligen drei Könige war schon damals eine Touristenattraktion und der alte Dom viel zu klein für die Pilgerströme.

Die Gläubigen wollten den Schrein natürlich nicht ohne Dach über dem Kopf herumstehen lassen. Also spendeten sie jede Menge Geld für eine neue, größere und schönere Kathedrale. Und die sollte der erfahrene Dombaumeister Gerhard von Ryle bauen.

Teufelswette: Vollendeter Dom in nur drei Jahren

Meister Gerhard zog mit seiner Familie nach Köln und machte sich an die Arbeit. Tagelang ging er spazieren und überlegte dabei, wie der Dom aussehen sollte. Keine leichte Aufgabe! Vor Erschöpfung schlief er dabei einmal an einem Großen Stein auf der anderen Rheinseite ein: dem Teufelsstein.

Der Düvvel witterte seine Chance und erschien Meister Gerhard. In nur drei Jahren solle der neue Dom vollendet sein – mit seiner Hilfe natürlich. Allerdings wäre eine klitzekleine Gegenleistung fällig: die Seelen der Familie von Ryle. Wenn die Kathedrale jedoch nicht vor dem Hahnenschrei in der Letzten Nacht des dritten Jahres fertiggestellt wäre, sollten der Dombaumeister und seine Familie frei sein.

Listige Ehefrau, dressierter Hahn

Von da an wuchs der neue Dom Tag für Tag in die Höhe. Meister Gerhard wurde jedoch immer unglücklicher. Schließlich beichtete er seiner Frau vom Pakt mit dem Teufel. Die kaufte in ihrer Verzweiflung einen Hahn. Dem brachte Sie bei, auf ihr Signal hin zu krähen. Kurz bevor der letzte Stein am Dombau gesetzt war in der letzten Nacht des dritten Jahres, ließ sie den Gockel mit voller Kraft krähen.

Und die Seelen der Familie waren gerettet. Der Teufel ließ in seiner Wut darüber große Teile des Doms einstürzen. Weshalb der Dombau schon damals kein Ende nahm.

Teufel soll Wasser von Trier nach Köln leiten

Gerhard von Ryle schuftete weiter, aber die Arbeit zehrte an seinen Kräften. Der Teufel witterte eine zweite Chance. Getarnt als rundlicher kleiner Mann verunsicherte er den müden Baumeister: Überall seien Fehler versteckt. Nie würde der Dombaumeister so den Bau vollenden.

In seiner Wut darüber ließ sich Meister Gerhard erneut auf eine Wette ein. Er wolle den Dom fertigstellen. Und das, bevor der Teufel – denn niemand anderer steckte in der Gestalt des kleinen Mannes – Wasser über eine Leitung aus Trier quer durch die Eifel bis zum Fuße des neuen Doms fließen lassen könne. Unmöglich für jeden, außer dem Meister selber – dachte er jedenfalls. Aber der Teufel war schlau ...

Die List des Luzifers

Meister Gerhard arbeitete von da an noch mehr. Der Teufel aber ging zur besorgten Ehefrau und gab sich als helfender Arzt aus. Dafür müsse die Frau ihm nur erzählen, was Meister Gerhard im Schlaf spricht. Sie willigte ein und lauschte in der folgenden unruhigen Nacht aufmerksam.

Am nächsten Tag kam der Teufel wieder. Und die Ehefrau wiederholte das scheinbar sinnlose Geschwafel Meister Gerhards: Jede Viertel Wegstunde muss ein Luftloch in die Leitung. Was sollte das denn bedeuten? Der Teufel aber lächelte und schon bald darauf hörte Meister Gerhard vom Gerüst aus ein Schnattern. Er schaute hinunter und sah das Wasser aus den Bergen in einem Teich mündete. Und darauf paddelte eine verdächtig rote Ente …

Anfang vom Ende

Doch bei lebendigem Leib wollte Meister Gerhard nicht vom Teufel geholt werden. Darum sprang er in die Tiefe. Manche sage: Der Teufel war schneller und griff ihn sich in Gestalt eines Hundes. Was dran ist an den Legenden?

Meister Gerhard hat tatsächlich gelebt. Er kam zwischen 1210 und 1215 zur Welt. Unter seiner Leitung wuchs der Dom rasant schnell. Aus Sicht der eher gemächlichen Kölner konnte da nur der Teufel seine Finger im Spiel haben. Der mysteriöse Todessturz Meister Gerhards 1271 unterstrich diese These. Die Wasserleitung ist vermutlich eine Anspielung auf eine tatsächliche Leitung aus der Römerzeit.

Und der Kölner Dom ist und bleibt eine Dauerbaustelle - zum Leidwesen vieler Kölner. Denn Abgase, Wetter und Taubendreck setzten dem Bau aus über 50 Steinarten zu. Und vielleicht hat der Teufel da bis heute seine Finger im Spiel. (Julia Schulz)