Elf jecke Kölner Straßennamen

Im mittelalterlichen Köln gab es keine Straßenschilder. Die meisten Menschen konnten ohnehin weder lesen noch schreiben. Doch wie haben die Bewohner sich in der damals größten Stadt Europas orientiert? Mit einem einfachen Trick: Sie beschrieben das, was sie in der Straße sahen, hörten oder auch rochen und benannten sie danach.

So entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte ein System, das der Kartograph Arnold Mercator (1537-1587), Sohn des berühmten Gerhard Mercator, im ersten vollständigen Stadtplan von Köln 1570/71 aufzeichnete. Doch Straßennamen ändern sich oder ihr Ursprung gerät in Vergessenheit. Namen wie Unter Sachsenhausen, Kostgasse oder Im Ferkulum führen deshalb schon mal in die Irre.

Wirklich intensiv beschäftigte sich erst Ferdinand Franz Wallraff (1748-1824) mit den Straßen der Domstadt. Der kunstverliebte Kölner Theologe, Professor der Mathematik, Botanik und Rhetorik bekam 1812 von der napoleonischen Lokalregierung den Auftrag, alle Straßen ins Französische zu übersetzen. Wallraff beließ es allerdings nicht dabei. Der Gelehrte tilgte gleich mehrere für ihn zu banale Bezeichnungen von der Karte oder versuchte, die Stadt mit neuen Namen aufzuwerten.

Hohe Straße

Wallraff sorgte damals auch für Bezeichnungen wie Hohe Straße. Die Königin der Kölner Straßen war schon im römischen Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA) eine wichtige Verkehrsachse. Im Mittelalter gliederte sie sich in Teilbereiche wie Unter Pfannenschläger, An den Vier Winden und An der hohen Schmiede. Nach 1812 gerieten diese Namen in Vergessenheit, denn Wallraff nannte die gesamte Strecke bis zur Hohen Pforte nun "Rue Haute - Hohe Straße". Heute ist die Hohe Straße mit fast 10.000 Fußgängern pro Stunde eine der meist belebtesten Einkaufsstraßen Deutschlands. Und leider inzwischen ganz schön trostlos. Von den alten Patrizier- und Zunfthäusern haben Krieg und Nachkriegsbauwut nicht viel gelassen. Tipp für Imis: Die Form wird im Satz nie angepasst. Es heißt also immer "auf der Hohe Straße" mit Betonung auf "Hohe".

Schaafenstraße

Richtig: es geht um das liebe Vieh. Im Mittelalter war die Gegend rund um die Schaafenstraße noch bäuerlich geprägt. Durch das 1882 abgerissene Schaafentor (Kölsch: Schaafepooz) trieben die Schäfer ihr Vieh bis zum Neumarkt, dem größten Viehmarkt der Stadt. Und von dort aus ging es dann in das nächstgelegene Schlachthaus in der Fleischmengergasse (lat. mango, Händler).

Kostgasse

In der Kostgasse nahe dem Breslauer Platzes verarbeiteten die Metzger die Eingeweide und Abfälle des Schlachtviehs. Sie hieß ursprünglich "Kotsgasse", abgeleitet vom mittelalterlichen Wort "kut" für Innereien. Dem alten Wallraff war dieser Name nicht fein genug. Ebenso wenig der Perlengraben, ursprünglich Pellergraben genannt (lat. pellio, Kürschner). Bis zum Beginn des 19. Jh. produzierten die Kölner rund um den Duffesbach jährlich etwa 20.000 Ochsenhäute und an die 5000 Schafsfelle. Das stank ziemlich zum Himmel, sodass der Bach schließlich unter die Erde kam.

Im Ferkulum

An diesem kuriosen Straßennamen ist hingegen nichts anrüchig. Im Gegenteil: das Ferkulum hat ganz solide lateinische Grundlagen. "fericulum" hieß im Mittelalter das Traggestell, mit dem die zinspflichtigen Bauern ihren Zehnten zum Stift St. Severin trugen.

Aachener Straße

Der Name der Straße ist natürlich Programm: sie führt "direkt" nach Aachen. Seit dem Mittelalter ist sie eine der Kölner Haupt- und Ausfallstraßen. Früher hieß sie auch Königsstraße, weil auf ihr die gesalbten Häupter aus der Stadt Karls des Großen nach Köln kamen. Der Kölner Erzbischof empfing die hohen Herrschaften am Hahnentor und geleitete sie zum Dom. Dort endete die Wallfahrt am Schrein der Heiligen Drei Könige.

Unter Sachsenhausen

Ei verbibbsch noch mal, noch so eine lustige Verballhornung. Mit Sachsen hat sie jedenfalls nichts zu tun. Die Kölner Patrizierfamilie Overstolzen besaß in dieser Straße im 13. Jh. die älteste Mietskaserne im mittelalterlichen Köln: 16 Häuser unter einem Dach. Aus "Unter Sechzehnhäusern" wurde dann im Laufe der Zeit Unter Sachsenhausen.

Rosenstraße

Früher hieß sie Suwgaz (Säugasse). Denn durch sie trieben die Viehhändler die Schweine aus den Ställen an der Severinstraße auf die Rheinauen. Ferdinand Franz Wallraff war das nicht blumig genug, er nannte sie für die französischen Besatzer "Rue des Roses". Auch andere tierischen Namensgeber kamen unter den Hammer: aus "hundts rucken" wurde der historische bedeutsamere "Hunnenrücken", aus "Katzenbauch" "Quartier des Cattes" bzw. Kattenbug, benannt nach einem mittelhessischen Germanenstamm.

Waidmarkt

Das mittelalterliche Köln lebte gut von Textilwaren, und viele Kölner Straßennamen bezeugen das: Kämmergasse, Filzengraben oder Rothgerberbach. Blaues Leinen aus Köln war besonders beliebt. Der Farbstoff hierfür stammte von der Pflanze Waid, die Bauern aus Jülich in Köln auf dem Waidmarkt verkauften. Vor allem an die Blaufärber am Blaubach. Das von ihnen behandelte Leinen brauchte zwei Tage, um die kräftige Farbe zu entwickeln. Das ist das "Blaumachen". Wenn man also vor dem Sonntag färbte, erlebte man erst am Montag sein "blaues Wunder".

Schildergasse

Viele alte Kölner Straßennamen verweisen auf Berufe: Unter Pfannenschleger, Schwertnergasse oder auch die Schnurrgasse für die Töpfer. Auf der Schildergasse waren die Werkstätten der Wappenschilderer. Jeder Kölner Bürger, der was auf sich hielt, brauchte eine vollständige Ritterrüstung. Dazu gehörte im Mittelalter auch ein prächtig bemaltes Schild. Wenn er sich nur einen Spieß leisten konnte, war er halt ein Spießbürger.

Auf dem Himmelreich

Heute steht hier, wenig anheimelnd, der große Klotz des Maritim-Hotels. Himmelreich war aber im spätmittelalterlichen Köln eine der 22 Gaffeln. Auf dem Himmelreich war ihr Sitz. Das Wappen zeigt Sonne, Mond und Sterne. Dabei ist der Name der Straße sehr irdisch. Er stammt vermutlich vom Wort "humelric": feuchte Erde. Es ist der Morastboden, auf dem sich allmählich der Marktplatz rund um den Heumarkt entwickelte. Vom Morast ins Himmelsreich ist es ein weiter Weg. Aber wer in Köln wohnt, lebt doch fast schon im Paradies. Oder etwa nicht? (Roberto Di Bella)