Kölner Melaten-Friedhof ist Zeitgeschichte

1810 eröffnete Melaten – als öffentliche Grünfläche und Friedhof. Heute ist er eine Ruhestätte für rund 55.000 Verstorbene. Seit jeher erzählen seine Gräber Stadtgeschichte. Einige Grabsteine haben 200 Jahre überdauert. Der älteste Grabstein stammt von 1811 und steht beinahe unsichtbar zwischen Sträuchern und Büschen.

Auf Melaten ruhen Kölner Persönlichkeiten wie Willy Milowitsch und Dirk Bach, Franz Ferdinand Wallraf und auch die Nonne Maria Clementine Martin, bekannt durch ihren Klosterfrau Melissengeist. Aber auch weniger illustre Kölner fanden hier ihre letzte Ruhe. So ein gewisser Herr Broichschütz: mit einem Säulenofen auf dem Grabstein.

Der erste Protestant kommt nach Melaten

Das Grabstein von Christian Rhodius erinnert eher an einen Sarkophag und steht irgendwie deplaziert unter einem großen Baum, gleich in der Nähe des ältesten Grabsteins auf Melaten.

Vielleicht lag es am Reichtum der Familie. Fest steht: Das Grab von Christian Rhodius war das erste eines Protestanten auf Melaten. Die Familie hatte ihr Geld fern der Heimat mit Plantagen in Südamerika gemacht. Ihr Mühlheimer Wohnhaus mutierte später zu Ehren der Familie zum Bezirksrathaus.

Mit seinem Begräbnis öffnete Rhodius Melaten auch für andere Protestanten. Heute steht der Friedhof Verstorbenen jeden Glaubens offen. Auf Melaten sind sie vereint in Frieden und Ruhe.

Von Willy Millowitsch bis Dirk Bach

Einer der bekanntesten Verstorbenen neuerer Zeit ist der Volksschauspieler Willy Millowitsch: Kölsches Urgestein, Patriarch, Chef des gleichnamigen Volkstheaters. Sein Name ist beinahe ein Synonym für Köln. 1999 starb Millowitsch mit 90 Jahren in seiner Heimatstadt. Die Totenmesse las Weihbischof Dr. Friedhelm Hofmann im Kölner Dom. Ein Privileg, das eigentlich kirchlichen Würdenträgern vorbehalten ist.

Die Stadt Köln ehrt ihren Sohn gleich mehrfach: Das Gertrudenplätzchen Ecke Breite Straße-Gertrudenstraße heißt seit 2013 Willy-Millowitsch-Platz. Ein Jahr später zieht das Milliowitsch-Denkmal hierher um.

Sein Grab ist eine Ehrung an den Schauspieler Millowitsch. Es ist als Bühne angelegt. Mehrere Stufen führen zur „Theaterfläche“ während der Grabstein selbst den letzten Vorhang symbolisiert.

Audienz beim Mäusekönig

Audienz beim Mäusekönig steht auf der Lehne der rosa Bank an einem weiteren neuen Grab. Hier fand der Comedian Dirk Bach seine letzte Ruhestätte. Seine beste Freundin und ehemalige Mitbewohnerin Hella von Sinnen stiftete die Bank zum ersten Todestag. Und sie passt: zu Dirk Bach, zu seinem Leben und zu seinem Grab. 

Auf dem glänzenden schwarzen Grabstein prankt ein riesiger Stern – wie auf dem Walk of Fame in Hollywood, aber in Pink. Dirk Bachs Ehemann Thomas hat ihn entworfen. Der großartige Dirk Bach hat ihn sich verdient. Er starb 2012 mit nur 51 Jahren in einem Berliner Krankenhaus.

Räuberbanden und Leprakranke

Die Kapelle St. Maria Magdalena und Lazarus ist eine kleine Kirche in städtischer Hand. Der St. Maria Magdalenen Verein pflegt sie liebevoll.

Auf dem Gelände von Melaten befand sich bereits 1180 ein campus leprosi, also eines von vier sogenannten Siechhäusern Kölns. 1245 weihte der berühmte Bischof Konrad von Hochstaden die Kapelle auf dem Grundstück. Erst drei Jahre danach legte er den Grundstein für den Dom.

Nur an hohen Feiertagen durften damals Leprakranke die Stadt betreten. Der Schellenknecht warnte die Bürger vor den Kranken. Sie zogen sich aus Angst vor Infektion in ihre Häuser zurück. Vor die Türen stellten Sie jedoch Gaben und Geschenke für die Aussätzigen.

Der Status der Gemiedenen brachte einige Jahrhunderte später Räuberbanden auf eine Idee: Sie besetzten als Leprosen das Siechhaus und entzogen sich so der Justiz. Die Gaben der großzügigen Kölner nutzten sie zum Überleben. Nur durch Zufall fand die Stadt Köln diesen Betrug heraus, schloss die Station im 17. Jahrhundert und fand keinen einzigen Kranken dort.

Die Klosterfrau und ihr Melissengeist

Ein wenig unscheinbar und versteckt, aber nur wenige Meter von der Kapelle entfernt, steht der uralte Grabstein von Maria Clementine Martin (1775-1843). Zwei Worte stehen für ihr Vermächtnis: Klosterfrau Melissengeist.

Als 17 jährige trat sie als Nonne in das Kloster Sankt Anna (bei Münster) ein, lernte viel über Kräuter und deren Heilkraft. Doch das Kloster löste sich auf, Maria Clementin ging auf 15jährige Wanderschaft und entwickelte während dessen einen Kräutergeist. Und der half.

Für Ihren Einsatz als Krankenschwester 1815 an der Waterloo Front garantierte ihr Wilhelm III. eine monatliche Leibrente von 160 Talern, ausreichend für ein sorgenfreies Leben. Doch Müßiggang galt Maria Clementine nichts. Darum übernahm sie die Pflege des Domvikars zu Köln und blieb ihm bis zur letzten Stunde treu.

Mit 50 – wieder ganz am Anfang – nutzte sie ihr Kapital: den guten Draht zum Königshaus. Ihre Essenzen durfte sie fortan als Hoflieferantin vermarkten. Ein goldener Steigbügel. Maria Clementine machte keine halben Sachen. Sie gründete 1826 das Unternehmen „Maria Clementine Martin Klosterfrau“ und stellte den heilsamen Trank gewerblich her. Die drei Nonnen auf der Flasche kennt auch heute noch die halbe Welt.

Der Stahlofen auf dem Grabstein

Das beste kommt bekanntlich zum Schluss, so auch hier. Der Grabstein ist schmucklos und trägt eine merkwürdige Inschrift:

„Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er in einer Kneipe neben diesem neoklassizistischen Säulenofen, worauf der Wirt dieses Denkmal errichtete“.

Der nunmehr Verstorbene, ein gewisser Herr Broichschütz, lebte von 1822 bis 1874. Auf den zweiten Blick ist klar: das ist ein Ofen auf dem Grabtein. Genauer gesagt, es ist dieser Säulenofen. Einfach auf den Kopf gestellt. Ein Symbol für Wärme und Geborgenheit, die Broichschütz offensichtlich in seiner Stammkneipe fand. Er muss ein guter Kunde gewesen sein und vielleicht sogar ein Freund des Wirts. Denn der stiftete seinem treuen Gast das gute Stück.

Tod und Humor? Geht doch. (Cornelia Bremer)