Kölsche Geschichte: Von Maladen zu Melaten

Einst als kleine beschauliche Begräbnisstätte geplant, ist Melaten heute ein Friedhof mit 43,5 Hektar Größe – das sind 60 Fußballplätze. Bis heute gibt es 55 000 Gräber. Und ganz viel Grün, hohe Bäume, die ebenso alt sind wie die Verstorbenen, denen sie Schutz vor Regen und sengender Hitze geben. Doch Melaten ist noch mehr – es ist ein Stück Stadtgeschichte Kölns.

Wir treffen uns um 11 Uhr am Haupteingang des Friedhofs Melaten – einem der bekanntesten Friedhöfe in ganz Deutschland. Bekannt ist dieser Bestattungspark vor allem durch die vielen Prominenten, die hier im Laufe von Jahrhunderten ihre letzte Ruhestätte fanden.

Führung über Kölner Melaten-Friedhof

Dr. Birgit Deckers, von Haus aus studierte Geographin, ist Gästeführerin von Regio Colonia. Freundlich begrüßt sie ihren Kollegen Hartmut „Harry“ Kramer. Auch dieser echt kölsche Jung und Kommandant der Treuen Husaren führt eine interessierte Schar Friedhofswanderer für sein Kölngeflüster über die 43,5 Hektar riesige Anlage zwischen der Aachener Straße, Oskar-Jäger-Straße, Melatengürtel und Weinsbergstraße.

Fast ehrfürchtig stehen Besucher umhüllt von sattem Grün der Tausenden von Bäumen und Sträuchern plötzlich mittendrin in lebendiger Kölner Geschichte aus mehreren Jahrhunderten. Wir stehen am Anfang einer mehr als zweistündigen Führung. Denn schon die Entstehungsgeschichte von Melaten ist spannend und eine Erinnerung an längst vergessene Geschichtsstunden.

Napoleon entzieht Kirche Beerdigungsrecht

Im Mittelalter lagen die Friedhöfe rund um und in den Kirchen. Die Nähe zum Altar versprach auch Nähe zu Gott. Das ließ sich manch einer was kosten! Nur die ganz Betuchten konnten sich das leisten. Nicht immer jedoch waren die Gräber tief genug und der Verwesungsgeruch ging Geistlichen und Gottesdienst-Besuchern in die Nasen. Es waren die Reichen, die stanken und so mit „stinkreich“ waren.

Napoleon beendete diese Tradition 1804 mit dem Décret sur les sépultures – dem Dekret über die Begräbnisse und entzog der katholischen Kirche damit ihr Beerdigungsrecht. Von nun an mussten Friedhöfe außerhalb bewohnter Gebiete liegen.

Aus Leprosenheim entsteht Melaten

Die Stadt Köln ging auf die Suche nach einem geeigneten Ort. Sie erhielt Unterstützung von dem Universalgelehrten Franz Ferdinand Wallraff (1748-1824). Wallraff war tief verwurzelt in Köln und verbunden mit seiner Stadt, Professor für Naturgeschichte, Botanik und Ästhetik an der Universität Köln, Kommunalpolitiker und Kunstsammler.

„Heute würde man vermutlich sagen, Wallraf war ein Messi“, witzelt Dr. Birgit Deckers. Denn Wallraf sammelte alles, was er aus aufgelösten Sammlungen, geschlossenen Klöstern und Kirchen ergattern konnte und lagerte es in seiner Wohnung. Sehr bald schon zeigte sich dann dort ein recht beengtes Wohnverhältnis!

Doch Wallraf fand einen Platz für den neuen Friedhof der mittelalterlichen Metropole – das ehemalige Leprosenheim an der Aachener Straße. Und damit war auch schon der richtige Name gefunden. Aus Hof d’r Maladen (französisch malade: krank), dem Hof der Leprakranken, soll Melaten entstanden sein. Nach anderen Aussagen ging der Begriff aus dem lateinischen male habitus für Leprosorien (Lepra-Kranke) hervor.

Melaten: Ein Ort der Besinnlichkeit

Der Tod ist Teil unseres Lebens. Franz Ferdinand Wallraf suchte nicht irgendeinen Friedhof. Er wollte einen Raum schaffen, an dem die Menschen zur Ruhe fanden – auch die Lebenden. Einen Ort der Schönheit, der Besinnlichkeit.

Er wollte einen öffentlichen Raum begrün(d)en, an dem sich alle erfreuen konnten und an dem nicht die Trauer um die Verstorbenen im Vordergrund stehen sollte. Er fand ihn in Melaten und bis heute verstehen die Menschen seine Botschaft und setzen sie um.

Das Grün, die beinahe unberührte Natur dominieren Melaten. Fast erscheinen die Gräber als Beiwerk.  Meschen finden hier - scheinbar zufällig - ihre letzte Ruhe. Der Lauf der Geschichte zeigt sich trotzdem: wenn sich der Besucher auf die Zeitreise durch die Jahrhunderte einlässt.

Gräber auf Melaten erzählen Stadtgeschichte

Umgeben von hohen alten Bäumen befindet sich direkt gegenüber dem Walraff-Richartz Grab ein weiteres Stück Stadtgeschichte auf zwei sich aneinander schmiegenden großen Grabanlagen. Der schwarze Grabstein zeigt es als die Grabstätte der Familie Farina aus. Der Name steht für Eau de Cologne. Und so geben einige der Grabplatten Auskunft für Nichtwissende, dass hier die Herren über das Kölnisch Wasser nebst ihrer Angehörigen liegen. Doch mit der Marke 4711 hat die Familie Farina nichts zu tun. Aber das ist eine andere Geschichte. (Cornelia Bremer)