Hänneschen: Puppenspiele in Köln
Das Herz von Köln schlägt im Hänneschen-Theater. Es ist die älteste und zugleich die größte Mundart-Puppenbühne in Deutschland. Wer einen Blick in die kölsche Seele werfen möchte, der sollte zum Puppenspiel am Eisenmarkt gehen. Das Hänneschen ist Kult, für Alt und Jung, för Klein un Jroß.
Fast jeder kennt sie: Tünnes und Schäl. Viele glauben, die beiden hätten wirklich gelebt, doch in Wahrheit sind es Figuren aus dem Hänneschen-Theater. Das Theater kann fuf eine lange Tradition zurückblicken. Gründer ist der aus Bonn stammende Schneidergeselle Johann Christoph Winters, der im Jahr 1800 eine Kölnerin heiratet. Im Winter 1802 führte er erstmals ein Krippenspiel für Kinder auf. Bald entwickelt sich daraus ein Stockpuppentheater, das ab 1804 ein festes Haus in der Kölner Altstadt hat.
Kölsches aus Knollendorf
Die Geschichten auf der Bühne spielen im imaginären Ort Knollendorf, der am Standrand von Köln liegt. Winters entwickelt kölsche Charaktere, die bald legendär werden. Seit 1803 gibt es den Tünnes (Ableitung von Anton). Er ist ein gutmütiger, einfältiger Bauer mit auffälligen roten Haaren und einer großen Knollennase. Sein Gegenspieler Schäl taucht erst rund 50 Jahre später auf. Der stark schielende Schäl, ein Städter mit Melone und Fliege, ist ein intrigantes Schlitzohr, das nur auf seinen Vorteil bedacht ist. Schäl bezieht sich aufs Schielen, bedeutet aber auch falsch. Vorbild für diese Figur war wohl Winters Konkurrent Franz Andreas Millewitsch, der im rechtsrheinischen Deutz als Puppenspieler arbeitete. Dessen Familie nannte sich später in Millowitsch um und tausche die Puppen gegen echte Schauspieler aus. Das gleichnamige Volks-Theater am Rudolfplatz ist heute noch Kult.
Hänneschen, Pitter und Speimanes
Die Knollendorfer Figuren mit ihren Stärken und Schwächen sind mitten aus dem Leben gegriffen. Das Hänneschen mit der rot-weiß geringelten Zipfelmütze ist „ene kölsche Fetz“, lustig und schlagfertig. Ihm zur Seite steht das kluge, selbstbewusste Bärbelchen, das als seine Schwester oder Verlobte auftritt. Bärbelchen mit den blonden Zöpfen kann sehr energisch sein und bremst Hänneschen, wenn es mit seinen Streichen zu weit geht. Dann gibt es da noch Besteva, Mählwurms Pitter, Zänkmanns Kätt, den stotternden Speimanes mit der feuchten Aussprache und ... und … und …
Kölsch singen und trinken
Am allerersten Kölner Karnevalszug im Jahre 1823 beteiligt sich auch das Hänneschen-Theater. Die Liebe zum Karneval besteht bis heute. So gibt es in der fünften Jahreszeit immer eine närrische Puppensitzung für Erwachsene und eine Kinderpuppensitzung. Nicht nur zu Fastelovend, sondern ganzjährig werden lustige Stücke op Kölsch gespielt. Über die Jahrzehnte wechseln die Spielorte, jetzt ist das Theater am Eisenmarkt zu Hause. Frauke Kemmerling, Imi aus der Nähe von Osnabrück und seit 2012 Intendantin, spricht zwar nicht perfekt Kölsch, kann es aber singen und trinken.
Puppenspieler nicht über 1,78 cm
Die Puppenspieler am Hänneschen-Theater müssen musikalisch sein, eine kräftige Stimme haben und natürlich Kölsch sprechen. Was noch? Starke Arme sind gefragt. Mählwurms Pitter wiegt stolze 4 Kilo. Dieses Gewicht muss man erst einmal minutenlang in die Luft stemmen können. Kein Problem für Hans Fey, der seit 1984 den Pitter spielt und zudem für Bühnentechnik und Umbau zuständig ist. Multitalente finden sich am Hänneschen-Theater zuhauf. Udo Müller ist zugleich Autor, Regisseur und Spieler, Elfriede Bauer, das Bärbelchen, zeichnet für die Erstellung der Puppenkostüme verantwortlich. Ach, ja, es gibt noch eine Bedingung: Die Spieler dürfen höchstens 1,78 cm groß sein, damit sie die Britz, die hölzerne Balustrade, nicht überragen. Schließlich sollen für die Zuschauer nur die Puppen tanzen, nicht die Spieler.
Coole Combo
Die fünfköpfige Hänneschen-Combo sorgt dafür, dass das Publikum so richtig abrockt. Musik vom Band gibt es nicht, Nein, live ist Trumpf bei jedem Bühnenstück. Die Karnevalsschlager von Willi Ostermann präsentiert die Combo entweder ganz klassisch oder in verschiedenen Imi-Varianten. Es darf auch schon mal orientalisch sein. Über 200 Jahre ist das Hänneschen schon alt und trotzdem aktuell und topfit. Es stellt immerhin rund 270 Vorstellungen pro Jahr auf die Beine.
Autorin: Clivia Kelch-Rade