
Liebesschlösser an der Hohenzollernbrücke
Jedes Jahr hängen hunderte Pärchen ein Vorhängeschloss an die Kölner Hohenzollernbrücke. Dann werfen sie den Schlüssel in den Rhein. Angeblich ein alter Brauch. Tatsächlich begann das Ritual in Köln erst 2008.
Möglicherweise stammt die Idee aus Italien. Vielleicht ist sie aber auch nur ein Marketingag der Hersteller. Doch was passiert nach dem Liebesaus?
Liebling, hol den Schlüssel
Frauen stehen auf Romantik, meinen Männer jedenfalls. So auch Michael und schenkte seiner Sabine ein Schloss. Keins mit Zinnen und Türmchen, sondern so ein winziges Ding aus Metall. Darauf eingraviert: Biene und Michi. Natürlich mit obligatorischem Herzchen darunter. Dann schleifte er sie auf die Hohenzollernbrücke und machte das Teil am Zaun fest. Ab mit dem Schlüssel in den Fluss und Kuss.
Heute lag ein Zettel in der Küche. "Michi, es ist Aus! PS: Hol den Schlüssel! Persönlich! Auf Nimmerwiedersehen, Sabine". Und jetzt?
Männersicht
Soll sie doch selber springen, denkt Michael. Das Vorhängeschloss hätte ich besser behalten und ihr vor den Mund gehängt. Erstmal ein Kölsch. Plop. Zisch. Schon besser. Das Schloss muss weg, klarer Fall. Die Geschenke kann sie auch gleich zurückgeben. Die Alu-Leichtmetall-Felgen zum Beispiel. Welche Frau bekommt schon so super Teile zum Geburtstag? Und dann das neue Parfum zu Weihnachten. Keine Mine hat das Weibsstück verzogen. Soll sie dran erstinken! Noch ein Kölsch. Plop. Zisch. Holla, das kesselt. Scheiß Schloss. Wo ist eigentlich der Bolzenschneider? Oder besorge ich besser ´ne Flex?
Frauensicht
Was bildet sich dieser Typ eigentlich ein, denkt Sabine. Nie hört er zu. Immer muss ich alles alleine machen. Hoffentlich springt er von der Brücke. Besoffen genug ist er bestimmt schon. Dieses blöde Schloss. Andererseits: Ist doch meins. Die anderen Geschenke von dem Arsch kannst du doch in die Tonne treten. Autofelgen! Hat der sie noch alle? Und dann das fiese Parfum zu Weihnachten. Ideenlos, gedankenlos, lieblos - so wie der ganze Kerl. Das blöde Schloss war auch seine Idee. Nein wie romantisch. Wird er schon sehn, was ich mit seinem Schraubenzieher daraus mache.
Shut out
Tage später steht Michael vor dem Liebesschloss. Sein Name ist weg, das Herz darunter auch. Sabine hat beides in mühevoller Kleinarbeit weggeritzt. Mit männlicher Kraft und dem Bolzenschneider macht er dem Elend ein Ende. Klack, das Ding fällt auf den Boden. Ab in den Rhein. Erledigt.
Schloss dran, Wirtschaft fördern
Das will doch keiner. Passiert aber täglich. Gehen Sie trotzdem hin mit Ihrem Schloss. Ran damit! Köln freut sich über so viel Metall, die vielen Schaulustigen sowieso. Und die Hersteller von Vorhängeschlössern erst. Und mal ehrlich, Sie wollen doch nicht ernsthaft einen ganzen Wirtschaftszweig in Gefahr bringen, oder?
Nur ein Tipp: Gravieren Sie Ihre Namen nicht ein, nehmen Sie einen wasserfesten Textmarker. Der verblasst eh. Ansonsten können Sie später ganz leicht drüber malen. (sb)