Die Heinzelmännchen von Köln

Der Kölner kann feiern, klüngeln, Kölsch trinken. Nur eins kann er nicht: Arbeiten. Das ist ihm nicht gegeben. Musste er auch nie. Wegen der Heinzelmännchen. Bis die Frau des Schneiders die Wichte mit ihrer Neugier vertrieb.

Richtig bekannt geworden ist die Sage durch den Breslauer August Kopisch. Der verlegte die Handlung nach Köln. Ein preußischer Seitenhieb gegen die rheinischen Frohnaturen mit ihrer lockeren Arbeitseinstellung.

Faul, aber erfolgreich

Es war einmal eine reiche und mächtige Stadt mit Namen Köln. Der Handel blühte, die Handwerker konnten sich vor Aufträgen kaum retten und auf den Märkten gab es alles was das Herz begehrte. Keiner musste Hunger leiden. Die anderen Städte blickten mit Neid auf Köln. Es schien ihnen, als müssten sich die Kölner überhaupt nicht anstrengen.

Dombau ohne Mühe

Am mächtigen Dom standen die Gerüste der Zimmerleute. Doch wer genau hinsah, bemerkte die schnarchenden Gesellen auf den weichen Sägespänen. Dennoch ging die Arbeit vorran.

Weckchen trotz Nickerchen

Der Bäcker hatte gar prächtige Waren in der Auslage: Duftendes rheinisches Schwarzbrot, Röggelchen, Weckchen und noch manch andere Leckerei. Aber Meister und Gesellen schwitzten nicht beim Teigkneten. Sie lagen hinter dem warmen Ofen und hielten ein Nickerchen.

Flönz und Hämmchen wie von Geisterhand

Auch beim dicken Fleischer war von Arbeit und Schweiß keine Spur. Gemütlich schlummerten er und seine Gesellen. Und dennoch gab es am nächsten Tag frische Flönz und gepökeltes Hämmchen. Und das aßen Kölner Bürger schon damals besonders gerne.

Zechen ohne Reue

Der Küfer saß bei seinen Fässern und zechte. Bei sich dachte er: "Müsste sich mal jemand drum kümmern." Und während er noch so am überlegen war, wer dieser Jemand wohl sein könnte, schlief er im Vollrausch ein. Am nächsten Tag standen die Fässer fertig da. Alle Arbeit war getan.

Nichts fragen, nichts sagen

So ging das Nacht für Nacht. Natürlich machte sich die Arbeit nicht wirklich von alleine. Es waren die Heinzelmännchen, die den Kölnern so wunderbar zur Hand gingen. Die wollten jedoch auf keinen Fall gesehen oder gestört werden. Doch nicht alle Kölner konnten sich mit der Devise "Nichts fragen, nichts sagen" anfreunden. So mancher platzte schier vor Neugier.

Rettung für den Schneider

Eines Tages kam der tüchtige Schneider in arge Bedrängnis. Der neue Staatsrock des Bürgermeisters war noch immer nicht fertig. Dabei wollte ihn der hohe Herr schon am Morgen abholen. Erschöpft schlief der arme Schneider über seiner Arbeit  ein. Doch als er in der Frühe die Augen aufschlug, hing das Gewand in aller Pracht fertig auf dem Kleiderständer.

Das neugierige Schneiderweib

Nun hätten alle glücklich sein können. Doch die Schneidersfrau wollte die heimlichen Helfer unbedingt sehen. Waren sie klein oder groß, dick oder dünn und trugen sie tatsächlich rote Zipfelmützen?

Und Tschö

Am nächsten Abend streute sie heimlich Erbsen auf die Treppe. Dann versteckte Sie sich hinter der Tür. Lange nach Mitternacht, als alles ruhig waren, kamen die Heinzelmännchen. Lautlos wollten sie sich ins Haus schleichen. Aber dann passierte es: Sie rutschten auf den Erbsen aus und plumsten unter großem Tosen die Treppe hinunter. Doch noch ehe die Schneidersfrau hinter der Tür hervorspringen konnte, waren die flinken Gesellen bereits von dannen.

Schaffen statt schlafen

Von dem Zeitpunkt an wurden die Heinzelmännchen in Köln nie wieder gesichtet. Eine Katastrophe für die Kölner. Denn fortan mussten Sie selber schaffen. Nur die Handwerker an der Dombaustelle konnten sich lange nicht dazu durchringen. Mehr als 300 Jahre stand die Arbeit dort still.

Düsseldorf ist schuld

Manchmal wird in Köln übrigens behauptet, die Schneidersfrau sei Düsseldorferin gewesen. Darum ist der Kölner heute noch sauer auf die Nachbarstadt. Und auf Erbsenzählern ist er sowieso ganz schlecht zu sprechen. (sb)

Die Heinzelmännchen von August Kopisch, 1836

wie war zu köln es doch vordem
mit heinzelmännchen so bequem!
denn, war man faul, - man legte sich
hin auf die bank und pflegte sich!

da kamen bei nacht,
eh` man`s gedacht,
die männlein und schwärmten
und klappten und lärmten
und rupften und zupften
und hüpften und trabten
und putzten und schabten,
und eh` ein faulpelz noch erwacht`,
war all sein tagewerk bereits gemacht!

die zimmerleute streckten sich
hin auf die spän` und reckten sich.
indessen kam die geisterschar
und sah, was da zu zimmern war.
nahm meißel und beil
und die säg` in eil;
sie sägten und stachen
und hieben und brachen,
berappten und kappten,
visierten wie falken
und setzten die balken.
eh` sich`s der zimmermann versah,
klapp, stand das ganze haus
schon fertig da!

beim bäckermeister war nicht not,
die heinzelmännchen backten brot.
die faulen burschen legten sich,
die heinzelmännchen regten sich;
und ächzten daher
mit den säcken schwer!
und kneteten tüchtig
und wogen es richtig
und hoben und schoben
und fegten und backten
und klopften und hackten.
die burschen schnarchten noch im chor:
da rückte schon das brot, das neue, vor!

beim fleischer ging es just so zu:
gesell und bursche lagen in ruh`.
indessen kamen die männlein her
und hackten das schwein die kreuz und die quer`.
das ging so geschwind wie die mühl` im wind!
die klappten mit beilen, die schnitzten an speilen,
die spülten, die wühlten und mengten und mischten
und stopften und wischten.
tat der gesell die augen auf,
wapp, hing die wurst da im ausverkauf!

beim schenken war es so: es trank
der küfer, bis er niedersank.
am hohlen fasse schlief er ein,
die männlein sorgten um den wein
und schwefelten fein alle fässer ein -
und rollten und hoben
 mit winden und kloben
und schwenkten und senkten
und gossen und pantschten
und mengten und manschten.
und eh` der küfer noch erwacht`,
war schon der wein
geschönt und fein gemacht!

einst hatt` ein schneider große pein,
der staatsrock sollte fertig sein;
warf hin das zeug und legte sich
hin auf das ohr und pflegte sich.
da schlüpften sie frisch an den schneidertisch
und schnitten und rückten
und nähten und stickten
und fassten und passten
und strichen und guckten
und zupften und ruckten.
und eh` mein schneiderlein erwacht`:
war bürgermeisters rock
bereits gemacht!

neugierig war des schneiders weib
und macht` sich diesen zeitvertreib:
streut erbsen hin die andre nacht.
die heinzelmännchen kommen sacht;
eins fährt nun aus, schlägt hin im haus,
die gleiten von stufen und plumsen in kufen,
die fallen mit schallen,
die lärmen und schreien
und vermaledeien!
sie springt hinunter auf den schall
mit licht: husch, husch, husch -
verschwinden all!

o weh, nun sind sie alle fort
und keines ist mehr hier am ort!
man kann nicht mehr wie sonst sich ruhn,
man muss nun alles selber tun!
ein jeder muss fein
selbst fleißig sein
und kratzen und schaben
und rennen und traben
und schniegeln und biegeln
und klopfen und hacken
und kochen und backen.
ach, dass es doch wie damals wär`!
doch kommt die schöne zeit
nicht wieder her!

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