Porträt des Kölner Aktionskünstlers HA Schult

Seit fast 50 Jahren verwandelt der Wahlkölner HA Schult Konsumabfälle in Kunst. Sein Motto: Der Müll sagt die Wahrheit. Eines seiner erfolgreichsten Werke sind die weitgereisten "TrashPeople".

HA Schult? Kölner kennen seinen vergoldeten "Flügel-Fiesta". 1989 entstand das Objekt für die Aktion "Fetisch Auto". Und seit 1991 thront es auf dem Turm des Kölnischen Stadtmuseums. Der frühere Kölner Regierungspräsident Antwerpes wollte das Goldstück unter Hinweis auf den Denkmalschutz damals unbedingt wieder los werden. Ohne Erfolg.

Flieg, Fiesta, flieg!

Der Mann kommt viel rum. 1976 überschüttete er den Markusplatz in Venedig mit Papier, 2001 baute er aus 100.000 Liebesbriefen das "LoveLetters Building" in Berlin. Und nahe Troisdorf gestaltete er mit "Hotel Europe" die Ruine Kaiserbau zur größten Skulptur der Welt um - bis 2001 das Sprengkommando kam. Bei vielen Aktionen unterstützt ihn Elke Koska, seine ewige Muse, mit der er 25 Jahre lang verheiratet war. Sie managt ihn nach wie vor und begleitet ihn um den Globus.

HA Schult: Nomade der Kunst

Der Kunstnomade kommt 1939 in Parchim in Mecklenburg-Vorpommern auf die Welt und wächst im kriegszerstörten Berlin auf. Von 1958 bis 1961 studiert er als Schüler von K.O. Götze an der renommierten Düsseldorfer Kunstakademie. Es folgen Stationen in München, Köln, New York und Berlin. Zweimal nimmt er in den 1970er Jahren an der Dokumenta in Kassel teil. Und sein eigenes Museum, das er 1986 in Essen gründet, zieht 1992 in die Marzellenstraße nach Köln um. Seither wohnt Schult in der Domstadt.

Schult will den Rahmen sprengen

Beim Studium in Düsseldorf lernte Schult spätere Erfolgskünstler wie Gotthard Graubner, Sigmar Polke und Gerhard Richter kennen. Doch er wollte kein "Pinselschwinger" werden, der an den "Wänden der Vorstandsetagen zerschellt". Schult wörtlich: "Ich wollte etwas bewegen, das weit über den Bilderrahmen hinausgeht. Und dann sah ich damals bereits die Müllberge der Wohlstandsgesellschaft am Horizont auftauchen". Es sollte sein Lebensthema werden.

Welt kaputt - Monschau heil

"Welt kaputt - Monschau heil", so der launige Kommentar des Künstlers bei Eröffnung der Installation und begleitenden Ausstellung in der Eifelstadt. Der Titel des Projekts: "Monschau mon amour". 1970 hatte HA Schult hier seine Laufbahn als Aktionskünstler begonnen und das Thema der Ausstellung hieß "Umwelt-Akzente". 39 Künstler holten die Kunst in den öffentlichen Raum und mischten die fachwerkliche Beschaulichkeit des Eifelstädtchens ordentlich auf. Schult beschallte die Monschauer damals stundenlang mit einem Lautsprecherwagen. "Wäre ich Schrauben- oder Wurstfabrikant geworden, wären meine Produkte bei Obi oder Aldi im Regal gelandet. Wie könnte ich dort mein Leben ausdrücken? Als Künstler ist das anders, da bewege ich die Zeitgeschichte."

Rheinischer Müll auf dem Roten Platz

Das zeigen insbesondere seine "TrashPeople". Erstanden aus rheinischen Mülldeponien und grob in Form gebracht durch Montageschaum, bereisen sie seit 1996 die Welt. Ihre eigentliche Wirkung entfalten die Müllmänner (und -frauen) jedoch erst in der Gruppe und vor wechselnder Kulisse. So standen die insgesamt 1000 Figuren schon auf dem Roten Platz in Moskau, vor den Pyramiden von Gizeh und am Kölner Dom, hoch oben auf dem Matterhorn wie tief unten im Salzstock von Gorleben. Die Müllfiguren sind für Schult "Asylanten unserer Konsumepoche". Sogar auf das (brüchig gewordene) Eis der Arktis hat er sie geschickt.

Kunst als regionale Wirtschaftsförderung

Auf dem Weg nach Tel Aviv legen 200 von ihnen im Herbst 2013 einen Zwischenstopp in der Eifel ein. Zur Freude der Touristen - und der Geschäftsleute. Jochen Kaulard ist begeistert von der Aktion. Er betreibt ein Traditionscafé direkt am Markt und packte sogar mit beim Aufstellen der Figuren mit an. Die Resonanz in der Stadt sei durchweg positiv. "Ich habe selten so viel Zuspruch bei einer Kulturaktion hier erlebt", so der Unternehmer am Telefon. "Das ist eine tolle und hochwertige Werbung für die Kulturstadt Monschau". Die Arbeitsgemeinschaft der örtlichen Unternehmer hat sogar eine der Skulpturen erworben. Für 8000 Euro.

„Die Kunst ist meine Währung“

100.000 zusätzliche Besucher hatte der Künstler dem ehemaligen Industriestandort vorhergesagt, der längst vom Tourismus lebt. Fakt ist: Wo Schult auftritt, belebt er die regionale Wirtschaft. In Brüssel zogen seine Müllmänner 2005 an wenigen Tagen eine Million Menschen an. "Die haben alle ein Bier getrunken, ein Würstchen gegessen oder ein T-Shirt gekauft. 20 Millionen Euro habe ich in die Stadt gebracht. Ich bringe Geld! Die Kunst ist meine Währung." Schult kennt keine Berührungsängste. Weder mit der Wirtschaft noch der Politik. 2007 verschaffte der findige Kunstakteur mit den ÖkoGlobes der Automobil- und Mobilitätsindustrie einen seither viel beachteten Nachhaltigkeitspreis. Angela Merkel unterstützte er 2009 im Wahlkampf.

Schult als Archäologe der Gegenwart

Die Kontroversen der 1970er Jahre hat Schult salonfähig gemacht. Provoziert fühlt sich von seiner Kunst wohl kaum noch jemand, selbst in der Provinz nicht. Im gleichen Zeitraum ist aber auch die Sensibilität der Gesellschaft für die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit gewachsen. "Wir produzieren Müll, sind aus Müll geboren und werden wieder zu Müll", so das Mantra  seiner "Trash"-Philosophie. "Was wir heute aus der römischen Scherbe lesen, werden unsere Nachfahren aus der zerdrückten Coca-Cola-Dose über uns erfahren. Es gilt, diesen Planeten Erde zu bewahren und daher sind die TrashPeople Botschafter unserer Zeit. Schluss. Punkt. Aus".

Autor: Roberto Di Bella

 

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