Et es wie't es, das Leben des Thomas Gasper

Der Kölner Thomas Günter Gasper hatte seine Karriere eigentlich ganz anders geplant. Doch das Leben ging eigene Wege. "Et es wie't es", sagt Gasper. Und wundert sich, dass aus ihm doch geworden ist, was er sich immer wünschte.

Die Gischt schlägt über die Reeling. Thomas Gasper saugt die Freiheit mit jedem Salzwassertropfen in sich hinein. Alles nur geträumt. Doch Gasper ist überzeugt: "Ich will zur See fahren, um Kapitän zu werden!". Der groß gewachsene Junge aus Brühl blickt der Zukunft fest in die Augen. Doch mächtiger ist der Widerwille des Vaters: "Das kommt gar nicht in Frage!". Seefahrt, da sind doch meist nur Halbhalunken, die nie zu Hause sind. "Nee-nee-nee-nee, du gehst nicht zur See!". 

Auch Gaspers Onkel legt sein Veto ein. Im Krieg war er als Marine-Offizier bei den U-Bootfahrern auf und unter Wasser unterwegs. Der Neffe soll in ruhigeren Gefilden arbeiten.

Ein Plan B muss her: Förster. Durch den Wald streifen mit einem Hund fest an seiner Seite, Baumbestände prüfen und das Wild hegen – Gasper möchte der Natur nahe sein. Für ihn wäre die Försterei ein sicherer Boden unter den Füßen, schließlich kann er als Pfadfinder schon alle Waldpflanzen bestimmen und Fährten von Wildtieren deuten. 

Nicht genug Wald für alle

Gasper bewirbt sich bei der Forstverwaltung. Und hört dort klare Worte zu der Höhe seiner Karriereleiter: "Sie werden Ihr Leben lang nur Forstgehilfe bleiben. So viel Wald haben wir hier gar nicht, um neue Beamtenstellen zu schaffen". Was war passiert? Durch die Kriegswirren waren Forstbeamte aus Schlesien ins Rheinland und die Eifel gekommen und setzten hier ihren Anspruch auf Festanstellungen durch. Der Wald: Kein Ort für den jungen Brühler, um beruflich Wurzeln zu schlagen. Ein weiterer Traum zerplatzt für Gasper. 

Gut sechzig Jahre später sitzt er in seiner Wohnung im St.Vincenz-Haus. Ein aufrechter Mann. Mit seinen klaren blauen Augen schaut er über das Backsteinprofil des Gebäudekomplexes. Die Bücher im Holzregal, seine Notizen und Gedanken sind geordnet – ein sortiertes Leben in der rauen Wirklichkeit, in der erst die Eltern, später die Frau an Krebs sterben. 

Es geht voran - und nach Hansnova

Zurück in das vergangene Jahrhundert. "Et es wie't es", sagt der junge Gasper. Und er entscheidet sich für eine kaufmännische Ausbildung bei den Stadtwerken Brühl. Endlich geht es voran, beruflich wie privat. Er verliebt sich, heiratet und wird Vater. Die Familie wächst.

Gasper rechnet, bilanziert, entwirft Statistiken. Und blickt nach oben. Für den gehobenen Dienst muss er noch einen Sonderlehrgang an der Verwaltungsschule in Hannover absolvieren.

Kein Karneval für Gasper

Das bedeutet: Eineinhalb Jahre getrennt von seiner Frau Johanna und den drei kleinen Kindern. "Papa wo bist Du? In Hansnova?", hört er, wenn er alle sechs Wochen fürs Wochenende nach Hause kommt. Sehnsüchtig denkt er an die Familie und die Heimat. Pünktlich am 11.11. erinnert er sich an die fünfte Jahreszeit und erntet niedersächsisches Unverständnis.

Aber es ist wie es ist. "Jetzt bist du hier, die ganze Anstrengung, alles umsonst?", fragt er sich immer wieder. Und beißt sich fest und erfolgreich in seine Aufgaben. 

Der Einsatz lohnt: Jahrzehnte lang arbeitet er anschließend im gehobenen Dienst für die Stadtwerke Köln. Nebenbei engagiert er sich politisch im Stadtrat von Brühl. Verantwortung, das liegt ihm im Blut. Auch privat: Fünf Kinder haben seine Frau und er, eine Tochter und vier Söhne. Und dann ist da noch Rex, der Schäferhund-Rüde. 

Abenteuer mit Rex

Ihm und der Nachfolgerin Rexie, einem Schäferhundmischling, hat Gasper mit zwei kleinen Figuren vor dem Fernseher ein Andenken gesetzt. Er wirkt traurig, wenn er an seine Hunde denkt.

Erzählt Geschichten, in denen Rex ihn beschützt hat. Oder umgekehrt: Ein Kampfhund hatte Rex "an der Gurgel" gepackt. "Da schaut mich Rex so ganz bittend und flehend an, als wolle er sagen 'Nun hilf mir doch!'", sagt Gasper. Und er half, schlug dem Kampfhund auf die Nasenwurzel, bis sich seine Zähne aus Rex Kehle lösten. Zwölf Jahre hielt die Liebe zum Hund, bis Rex, müde vom Alter, schließlich in Gaspers Armen einschlief. Ist das der Förster, der seinen Jagdhund liebt und beschützt?

Der Geruch von Salzwasser

Die Hunde, die Liebe zur Natur – für Gasper kein Zufall. Der kaufmännische Angestellte und Politiker ist im Innersten seinen kindlichen Sehnsüchten treu geblieben. Wie gerne geht er noch heute mit seinen Kindern und Enkeln spazieren, zeigt ihnen Tierspuren und Pflanzenarten in den Wäldern von Ittenbach, im Königsforst oder der Wahner Heide.

Auch erinnert sich Gasper an die See, als er vor vielen Jahren mit seiner Frau nach Helgoland übersetzte. Sturm trägt den Geruch von Salzwasser, alte Träume brechen auf. Das Schiff hebt und senkt sich im Wellengang. "Siehst Du, ich habe immer noch diese Ader in mir", denkt sich Gasper und blickt in den schwankenden Horizont.

Heutzutage erzählt er seine Geschichte mit dem für ihn typischen Humor: "Meine Frau saß da, kreidebleich. Von dem bisschen Seegang ist ihr schlecht geworden. Da hab ich gesagt: 'Ich fühle mich erst jetzt richtig wohl. Ich würde mal gern bei richtig rauer See mitfahren!'".

Et es wie't es, und es ist gut so.

Über Thomas Günter Gasper

Thomas Günter Gasper, 78 Jahre alt, hat viel gekämpft, sich durchgesetzt, Neues geschaffen. Noch heute fühlt er sich verantwortlich für andere Menschen, mischt im Seniorenbeirat mit. Er kann nicht anders als aktiv sein: Er spielte im Theater 'Die Rotlichter' und strebt nun mit viel Ehrgeiz das Diplom bei der Akademie för uns kölsche Sproch an. Seine Kinder und Enkel wohnen im Rheinland.

Text und Fotos: Birgit Kleber